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Als Europäer hoffe ich sehr, dass die SPD-Basis den Koalitionspakt mit der Union absegnen wird und Deutschland bald eine funktionsfähige Regierung hat. Als deutscher Bürger der Mitte würde ich mir das Gleiche wünschen.

Aber wäre ich ein gewöhnliches SPD-Mitglied, dann würde ich beim Mitgliedervotum dagegenstimmen.

Nicht dass der Pakt keine sozialdemokratische Handschrift trägt. Er tut es, zumindest bei Mindestlohn und Renten. Aber dies wird sich im Leben der meisten Deutschen nur allmählich und nur wenig auswirken und das Land nicht auf einen Schlag sozial gerechter machen.

Immer nur Juniorpartner

Was mich als SPD-Mitglied mehr belasten würde, wäre die Aussicht, dass meine Partei durch diese Koalition auf Jahre hinaus in der Rolle des Juniorpartners der Union feststecken würde. Hat die Regierung Erfolg, dann erntet Angela Merkel die Früchte. Scheitert sie, würde es den Oppositionsparteien – Linke und Grüne – Aufwind geben. Ich sehe kein Szenario, bei dem die SPD gewinnen könnte.

Es ist auch fast unmöglich, aus der Rolle des Juniorpartners zur Nummer eins zu werden. Die ÖVP weiß davon ein Lied zu singen. Auch die SPD hat es nie geschafft.

Nach der großen Koalition der 1960er-Jahre schaffte es Willy Brandt zwar zum Kanzler, aber nur, weil der Zeitgeist links wehte und die FDP ihn unterstützte. Die ganzen 1970er-Jahre hindurch blieb die CDU/CSU die stärkste Kraft. Und die letzte GroKo mündete in die schlimmste Wahlniederlage aller Zeiten.

Kanzler nur mit Rot-Rot-Grün

Eine Chance auf das Kanzleramt ergibt sich für die SPD in Zukunft nur durch eine rot-rot-grüne Koalition, vielleicht schon nach den nächsten Wahlen. Doch nach vier Jahren Kompromissen mit der Union dürfte die SPD wohl kaum gestärkt aus dem Urnengang 2017 herausgehen. Und dann könnten Linke und Grüne noch viel mehr den Ton angeben als heute.

Für die SPD-Spitze bietet eine Regierungsbeteiligung viele Vorteile, dem kleinen Parteimitglied hingegen nicht. Das wäre, wenn es sehr links denkt, viel glücklicher mit einer sofortigen rot-rot-grünen Regierung. Wer die Linken nicht für regierungsfähig hält, tendiert zum Gang in die Opposition – mit Aussicht auf zukünftige Siege bei Landtagswahlen.

Riskante Mitgliederabstimmung

Und wenn diese Überlegungen stimmen, dann ist die Mitgliederabstimmung in der SPD trotz der recht erfolgreichen Koalitionsverhandlungen ein großes Risiko für die Parteispitze und damit für das ganze Land.

Ein Nein-Votum würde Deutschland fast unregierbar erscheinen lassen. Aber aus Sicht des kleinen SPD-Mitglieds ist dies nicht so schlimm wie die Aussicht auf vier Jahre Hausarrest bei Mutti Merkel. (Eric Frey, derStandard.at, 27.11.2013)