Fabian: "72 Stunden für hunderte Seiten - in Wien hätten wir ein Semester dafür."

Lara: "Ich tue mir schwer mit diesem Waffenvokabular."

Foto: Standard/Corn

Wien - Jeden Tag werden ihre Onlinevorlesungsverzeichnisse länger: Berkeley, Harvard oder die Uni Peking öffnen ihre virtuellen Tore. Geleitet von internationalen Experten und renommierten Professoren werben Elite-Unis mit Massive Open Online Courses (Moocs) für ein interaktives Fernstudium mit individuellem Feedback - und das meist sogar gratis.

Was ist dran an der Uni 2.0? Der Harvard-Kurs "Central Challenges of American National Security, Strategy and the Press" diente dem UniStandard seit Oktober als Testgebiet. Syrien-Krise, Iran und Wikileaks als Themen klangen ebenso verlockend wie die Leitung durch einen ehemaligen US-Regierungsberater sowie durch einen Journalisten der New York Times.

Neben den jederzeit abrufbaren "Video Lectures" und zwei großen Abgaben war die Teilnahme an einem wöchentlichen, einstündigen Chat Pflicht.

Freud und Leid des Moocs-Universums teilten die Probanden in täglichen Chats, protokolliert in diesem Logbuch:

Eine Woche davor - die Bewerbung:

Lara (22.48): Noch eine Stunde für die Abgabe. Bist du schon fertig?

Fabian (23.05): Ja, gerade eben abgeschickt. Ich musste mir noch durchlesen, wie man ein "Memo" überhaupt schreibt. Keine Ahnung, was Harvard erwartet, aber noch mehr Zeit dafür hatte ich wirklich nicht.

Lara (23.07): Ja, ich hab das davor auch noch nie gemacht. Obama auf einer Seite über Syrien briefen und eine kreative Problemlösung vorschlagen - wenn's weiter nichts ist. Wälz mich gerade noch durch diese Security-Goals und überlege, ob "vital interests" der Amerikaner betroffen sind.

Fabian (23.10): Na ja. Eine leichtere Aufgabe wär für die Aufnahme in einen Harvard-Kurs enttäuschend, oder? Wahnsinn ist ja, dass die tatsächlichen Kursteilnehmer wirklich einmal Memos für den Präsidenten schreiben.

Lara (23.35): Stimmt. Und uns lässt man ein bisschen mitspielen. So - endlich abgegeben, und schon zur Kriegstreiberin geworden. Hat sich im Laufe des Memos einfach ergeben, jedenfalls hab ich zum Militärschlag geraten?!

Fabian (23.40): Ich zur Dreistaatenlösung. Jetzt heißt's warten - unter die 500, die sie aufnehmen, werden wir es schon schaffen.

Zwei Tage davor - die Zusagen:

Lara (14.14): Juhu! Ich bin drin.

Fabian (14.47): Ich auch! Habe schon befürchtet, sie nehmen nur einen Österreicher ;-)

Lara (14.50): Wir sind sozusagen die Arche-Noah-Delegation aus Österreich. Yvy League is calling!

Tag 2 - technische Komplikationen:

Fabian (21.34): Hast du die Videos gesehen? Wie funktioniert dieser wöchentliche Chat? Bist du auch in der "8 A. M. Boston Time"-Gruppe? Was ist das in Wiener Zeit?

Lara (21.38): Google sagt: Bei uns 14 Uhr. Eh okay, bei der anderen Gruppe wäre der Chat um drei Uhr Früh unserer Zeit gewesen. Hab im Forum gelesen, dass der Chat auf einer extra Seite sein soll, aber ich hab keine Ahnung wo?

Fabian (21.40): Die scheinen massive technische Probleme zu haben. Hast du die Mail bekommen, wo sie sich dafür entschuldigen? Wirkt chaotisch. Fast noch komplizierter als das Syrien-Memo. Wenigstens sind die Multiple-Choice-Tests sehr einfach und beliebig wiederholbar.

Tag 3 - der Chat:

Lara (13.40): Bin arbeiten und mag jetzt nicht chatten. Gespannt bin ich aber schon.

Fabian (14.03): Es ist total unübersichtlich. Benutzt du deinen echten Namen?

Lara (14.06): Nein. Sag, die Fragen von dem Moderator haben wir doch schon im Memo behandelt? Ich find das stressig, hier so schnell zu antworten.

Fabian (14.10): Und durch die Masse an Antworten, noch dazu zeitgleich, entsteht kein Dialog.

Tag 14 - Memo:

Fabian (20.15): Hast du mit dem Iran-Memo begonnen? Wir haben 72 Stunden Zeit, hunderte Seiten Lektüre und zwei mal 70 Minuten Video-Lectures - an der Uni Wien hätte man dafür ein halbes Semester Zeit.

Lara (21.03): Ich tue mir diesmal schwer, mit diesem Massenvernichtungswaffenvokabular.

Tag 17 - die Krise:

Lara (23.33): Oh nein. Mein Memo war "insufficient", und ich bin aus dem Kurs geflogen!

Fabian (23.40): Schade! Die Kursbeschreibung war mit acht bis zwölf Stunden pro Woche nicht untertrieben. Feedback war auch kein leeres Versprechen: Die lesen tatsächlich alle 500 Memos.

Epilog:

Lara Hagen hat es genossen, den virtuellen Hörsaal im Pyjama und mit einem Glas Wein zu betreten, der fehlende direkte Austausch mit Kollegen oder Professoren ließ ihr Interesse schnell verfliegen. Fabian Schmid findet sowohl Harvard wie auch Onlinekurse gut, hat aber gelernt, dass die Kombination von beiden zu zeitaufwändig ist, um noch ein Vollstudium in Wien zu betreiben. (Lara Hagen und Fabian Schmid, DER STANDARD, 21.11.2013)