Schneerosen verdienen den Gattungsnamen zwar nicht, dafür aber Respekt: Sie blühen mitten im Winter, und das ganz ohne Hilfe, weiß Gregor Fauma
Wenn die Gärtnerin bald ihre schicken „Hansihinterseers" anzieht und hinaus in den Schnee stapft, dann geht sie wahrscheinlich Rosen kontrollieren. Es gibt nämlich Rosen, die im Dezember blühen, herrlich weiß – man spricht von Schneetarnung –, aber auch zartrosa. Diese Rosen haben mit echten Rosen wenig am Hut, folgen auf den Namen Helleborus niger, sind in Wahrheit eine Nieswurz und trotzdem unter dem irreführenden Namen Christrose oder Schneerose bekannt.
Spannende Lebewesen
Und sie gehören zu den spannenden Lebewesen. So sind sie zum Beispiel imstande, die Fotosynthese nach dem Wegsterben der alten Laubblätter in den Blütenbereich zu verlegen. Sie vergrünen quasi. Neben dem Helleborus niger gibt es auch den Helleborus_x_hybridus, die Lenzrose, diese wiederum in unzähligen, ihr angezüchteten Farben. Daher findet sie auch immer mehr Eingang in die Vorgärten der Cottages oder Waldränder von Förstergattinnen. Im Unterschied zur Christrose kommt die Lenzrose, nomen est omen, deutlich später hervor, wartet bis ins Frühjahr, um dann Blüte für Blüte in das neue Licht zu schieben.
Woher kommen die Bezeichnungen Nieswurz beziehungsweise niger? Nieswurz heißen diese Vertreter der Hahnenfußgewächse, weil die geriebenen Wurzeln wie Niespulver wirken. Man sieht, Botaniker treiben mancherlei Scherze mit ihren Forschungsobjekten. Das lateinische Anhängsel „niger" bezeichnet die schwarze Farbe des Rhizoms der Christrose.
Nieswurzen sind treue Pflanzen und ausdauernd. Wenn es einer Schneerose an einem Standort gut gefällt, so kann sie schon einmal ein Vierteljahrhundert dort leben. Vollsonnig bis halbschattig sollte so ein Standort sein, auf jeden Fall einige Stunden direkt beschienen. Wichtig ist ein eher lockerer Boden, gut humos und somit auch entsprechend drainagiert. Kalk kann nicht schaden und lehmige Einsprengsel ebenso wenig.
Jeder Eingriff stört
Und, für engagierte Gärtnerinnen ganz entsetzlich, sie wollen keine Pflege. Ihr gesamter Lebenslauf ist perfekt getaktet, jeder Eingriff wäre störend. Speziell die Rhizome reagieren auf Bodenarbeit verkühlt. Düngen ist nicht wirklich erforderlich, und wenn, dann zur Zeit der Blüte.
Nicht zu unterschätzen ist die Giftigkeit der Nieswürzler: Inhaltsstoffe wie Saponine und Protoanemonin sind stark giftig. Besonders unangenehm ist das Steroidsaponin Hellebrin, das, dem Fingerhut Digitalis ähnlich, das Herz zum Rasen bringt. Nicht unoriginell der Einsatz der Pflanze unter den Veterinären im 17. Jahrhundert: Man piercte kranke Schweine und Rinder die Ohren mit Wurzelstücken.
An all das denkt die Gärtnerin, wenn sie in zotteligen Moonboots vor Christrosen steht.