Eine Einigung im Nuklearstreit ebnet Wege aus der internationalen Isolation und die Lockerung des Sanktionsregimes, das sich gravierend auf die Wirtschaft des Iran auswirkt. Ebenso muss die neue Regierung dringend außenpolitische Erfolge aufweisen, um den Hardlinern im eigenen Land den Wind aus den Segeln zu nehmen. Auch wenn das Einigungspapier durchaus kritische Fragen für die kommenden sechs Monate offenlässt, ist es ein wichtiger Zwischenerfolg für die Regierung Hassan Rohanis.

Es wird seiner Administration dabei helfen, innenpolitische Herausforderungen anzunehmen. Besonders bei der Verbesserung der Bürgerrechte oder der Freilassung der unter Hausarrest stehenden Führungsfiguren der "Grünen Bewegung" - allesamt wichtige Forderungen der Wählerschaft - werden sie weiterhin auf erheblichen Widerstand aus radikalen Systemkreisen stoßen. Der Erfolg von Genf wird daher Rohanis Position stärken. Der öffentliche Briefwechsel zwischen ihm und Revolutionsführer Ali Khamenei wird ihm dabei zugutekommen. Diese Unterstützung von oberster Stelle wird er weiterhin brauchen.

Denn mit seiner Wahl ging ein entscheidender Paradigmenwechsel im Politikansatz der Islamischen Republik einher. Waren die acht Jahre Präsidentschaft von Mahmud Ahmadi-Nejad von einem populistisch-konfrontativen Politikstil geprägt, bei dem Widerstand gegenüber dem Westen einen intrinsischen Wert darstellte, verfolgt Rohanis Team eine moderat-pragmatische Herangehensweise, die vorsieht, sich mit dem Westen politisch zu arrangieren.

Dieser Ansatz ist keineswegs neu: Viele Regierungsmitglieder Rohanis bekleideten bereits in den 1990er-Jahren - in der sogenannten "Ära des Wiederaufbaus" nach dem Krieg gegen Irak - ranghohe Ämter in der Regierung des damaligen Präsidenten und Rohani-Unterstützers Hashemi-Rafsanjani. Nicht wenige vergleichen die wirtschaftliche Lage des heutigen Iran mit der unmittelbaren Nachkriegszeit. Dies erklärt unter anderem, warum die Regimeelite um Khamenei die Dringlichkeit erkennt und diesen Paradigmenwechsel unterstützt.

Doch es ist nicht nur die wirtschaftliche Lage, die einen neuen Politikstil notwendig machte. Der auf die Akzentuierung von Konfliktlinien setzende Ansatz Ahmadi-Nejads richtete auch im innenpolitischen Klima Schaden an. Er führte zu einem verschärften Antagonismus zwischen den verschiedenen Fraktionen und zu Zerwürfnissen innerhalb des Lagers der Prinzipientreuen - jenes Spektrums, das sich bei den Wahlen 2005 und 2009 noch geschlossen hinter dem umstrittenen Präsidenten gestellt hatte. Diese fehlende Geschlossenheit nach innen erschwerte eine kongruente Positionierung Irans in regionalen und internationalen Fragen - wie etwa im Nuklearstreit. Dies konnte sich das Regime angesichts der volatilen Region und der Eskalation in Syrien nicht länger leisten.

Doch auf politischer Ebene wird dieser Paradigmenwechsel vor allem an außenpolitischen Erfolgen gemessen. Und hierbei stehen der Nuklearstreit und das damit einhergehend internationale Sanktionsregime im Vordergrund. Sollte mithilfe des neuen Stils eine Lockerung der Sanktionen erzielt werden, dürften selbst die Hardliner kaum Argumente dagegen einbringen können. Allein vor diesem Hintergrund ist es für Außenminister Javad Sarif, der gleichzeitig Nuklear-Chefunterhändler ist, unabdingbar gewesen, eine Einigung mit den P5+1 zu erzielen. Nur so kann er die Annahme der Skeptiker entkräften, der Westen verfolge eine Regimeschwächung oder gar einen Regimewechsel.

Khamenei stimmte zu

Eine der ersten und bedeutendsten Amtshandlungen Rohanis war, das Nukleardossier aus dem Sicherheitsrat in das Außenministerium zu verlagern. Damit sicherte er sich und seiner Regierung die volle Verfügung über dieses so wichtige Politikum. Ohne die Zustimmung Khameneis wäre das kaum möglich gewesen. Dies erhöhte aber gleichzeitig das politische Risiko. Für den Moment kann sich Rohani im Lichte der Genfer Einigung sonnen. Dies kann sich jedoch schlagartig ändern, sollten in den folgenden Verhandlungen Probleme auftreten.

Die Tageszeitung Kayhan, ein Sprachrohr der Hardliner, titelte am Montag: "Amerika ist nicht vertrauenswürdig gewesen. Die Einigung von Genf hielt eine Stunde lang." US-Außenminister John Kerry habe Irans Recht auf Urananreicherung in seiner Ansprache nach der Einigung geleugnet. In der Tat lassen die Ausführungen hierzu in der Präambel des Handlungspapiers Deutungsspielraum. Diesen Deutungsspielraum nutzen Javad Sarif und John Kerry nun auf unterschiedliche Weise - mit jeweils ihren innenpolitischen Widersachern im Sinn.

Es bleibt Spekulation, ob dies vorerst so vereinbart worden ist. Zweifellos werden derartig vage gehaltenen Formulierungen in den kommenden sechs Monaten zwingender Konkretisierung bedürfen, damit aus dieser vorläufigen Einigung eine substanzielle und nachhaltige Verhandlungslösung erarbeitet werden kann. (Adnan Tabatabai, DER STANDARD, 26.11.2013)