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Demonstranten gegen Sicherheitskräfte: Vor dem Regierungssitz in Kiew forderten EU-Befürworter einen Kurswechsel der Führung. Und sie wollen nicht aufgeben.

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Die Spannung steigt in Kiew: Während im "Europastädtchen" auf dem Kiewer Maidan am Montagmorgen noch trügerische Ruhe herrscht und sich die 200 bis 300 Aktivisten vor dem Regen in ihre Zelte geflüchtet haben, gibt es einige Hundert Meter weiter vor dem Regierungsgebäude schon erste Handgemenge zwischen Demonstranten und Polizisten. Auslöser des Protests ist der Verzicht der ukrainischen Führung auf das EU-Assoziierungsabkommen. Schon am Sonntag hatten sich zehntausende Kiewer - die Polizei spricht von 25.000, die Opposition von über 100.000 Teilnehmern - zusammengefunden, um den neuen Kurs der Regierung lautstark zu kritisieren. Auch in vielen anderen Städten gab es Proteste.

Für die ganze Woche hat die Opposition zu Demonstrationen aufgerufen. Die öffentliche Empörung soll Präsident Janukowitsch zum Rückzieher vom Rückzieher zwingen. "Wir werden auf den Präsidenten und die Regierung Druck ausüben, und wir werden alles tun, damit das Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnet wird", kündigte Box-Weltmeister und Oppositionsführer Vitali Klitschko an.

Parallelen zum Jahr 2004

Für Janukowitsch werden alte und unangenehme Erinnerungen wach: Die Proteste sind die schärfsten seit der sogenannten Orangen Revolution vor neun Jahren, als die Ukrainer gegen massive Wahlmanipulationen demonstrierten. Janukowitsch, dem Russlands Präsident Wladimir Putin damals voreilig schon zum Sieg gratuliert hatte, musste noch einmal in die Abstimmung und verlor (erst 2010 gewann er dann die Wahl).

Janukowitsch weiß um die Macht der Straße und hat mit Premierminister Nikolai Asarow einen "Blitzableiter" installiert. Die Rücktrittsforderungen der Demonstranten richten sich derzeit vor allem gegen den Ministerpräsidenten, der die Entscheidung, die Annäherung an die EU aufzuschieben, verkünden musste. Die Opposition hat am Montag einen entsprechenden Antrag im Parlament eingebracht.

Asarow hat bereits angekündigt, notfalls mit Härte auf den Druck zu reagieren. Man werde sehr genau darauf achten, ob die Proteste aus dem Ausland finanziert würden. "Wenn das den Rahmen der Gesetze verletzt, dann wird sich die Regierung natürlich nicht wie 2004 verhalten, als vor unseren Augen eiskalt Technologien zum Sturz einer völlig legalen Regierung zum Einsatz kamen", sagte er.

Erste Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Opposition gab es schon: Nicht nur in Kiew gingen Beamte der Sondereinheit Berkut mit Gummiknüppeln und Tränengas gegen Demonstranten vor, die offiziellen Angaben nach das Regierungsgebäude stürmen wollten. Auch in Odessa kam es zu Prügeleien.

Angesichts des immensen Drucks lässt sich Janukowitsch, der am Montag in Wien weilte, aber nicht mit Journalisten sprach, noch eine Hintertür offen: Den EU-Ostgipfel in Vilnius Ende der Woche werde der ukrainische Präsident auf alle Fälle besuchen, erklärte sein Assistent Andrej Gontscharuk. Seine Entscheidung werde er dann nach Abwägen aller Vor- und Nachteile treffen.

Auch die EU-Führung streckt Kiew weiter die Hand entgegen. Janukowitsch sei in Vilnius willkommen. Das Angebot, das Partnerschaftsabkommen zu unterzeichnen, liege "noch auf dem Tisch", hieß es vonseiten der Union. (André Ballin, DER STANDARD, 26.11.2013)