"Auch wenn wir uns Tag für Tag am Gängelband unserer Hormone fühlen, nun gängeln wir zurück!", ermächtigt der Allgemeinmediziner und Medizinkabarettist die Leserinnen und Leser seines Buches, ihren Hormonhaushalt mit erfreulichen Tätigkeiten zu beleben.

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Essen, schlafen, spielen, kuscheln, Sex und Bewegung. "Klingt nicht übel", meint Ronny Tekal. Die sechs Tätigkeiten sind Strategien, um die eigenen Hormone in Schwung zu bringen. – Auf eigenverantwortliche Art und Weise und ohne dabei die Pharmaindustrie zu füttern. Denn unsere Botenstoffe weisen vor allem mit zunehmendem Lebensalter die Tendenz auf, "zu faulen Säcken“ zu mutieren, sagt der Allgemeinmediziner und Medizinkabarettist.

Mit seinem Buch "Sorry, das waren die Hormone! Was uns im Leben wirklich steuert" möchte er eine kleine Orientierungshilfe bieten, sich im "dichten Hormondschungel" zurechtzufinden. Am Ende der Lektüre sollen die Leserinnen und Leser Kompetenz darüber erlangt haben, wann sie sich wirklich auf ihre Hormone herausreden können.

Mal gutes, mal launiges Programm

Dass der Mensch als rationales Wesen weiß, was er tut, werde tagtäglich und stets aufs Neue durch die Wirkung der Hormone widerlegt, schreibt Tekal. Er führt in die Welt der chemischen Informationsträger ein, die normalerweise in endokrinen Drüsen gebildet und im Blut sezerniert werden. Dafür zieht er anschauliche Beispiele aus der Telekommunikation heran.

So vergleicht er die Hormone mit Radiowellen, die sich über den Äther der Blutbahn ausbreiten. "Sie wirken über die Entfernung. Der Sender sitzt in einer Drüse und macht mal gutes, mal launiges Programm. Theoretisch könnte das Programm für alle Organe zu hören sein. Doch nur bestimmte Zellen besitzen entsprechende Empfänger, sogenannte Rezeptoren, die auf die richtige Frequenz eingestellt sind. Diese Zielzellen nehmen die Botschaft des Senders auf und entschlüsseln sie." Manchmal zickt das Hormonsystem, dann sendet ein Sender nicht, oder die Empfänger, die Zielzellen, schalten auf Durchzug, drehen das Radio ab.

Doch das Hormonsystem ist noch komplexer: Im Prinzip ist jede Zelle in der Lage, Sendungen zu empfangen, aber auch selbst eine Radiostation zu betreiben. "Und es kann durchaus vorkommen, dass manche anarchistischen Zellverbände Piraten- und Störsender errichten", schreibt Tekal.

Quer durch den Drüsengarten der Tierwelt

Auf den folgenden gut 200 Buchseiten behandelt er sämtliche Hormonarten, ihre Produktionsorte (die endokrinen Drüsen), Lebensphasen, in denen die Hormone "verrückt" spielen können, die Botenstoffe des Glücks, des Liebestaumels und des Wachstums, den "hormonellen Sprengstoffgürtel" Bauchfett oder die Verbindung von Stress und Hormonen.

Ausführlich widmet sich der Arzt und Kabarettist dem Hormon-Business. "Der Mensch hat viele Öffnungen. Und vor jeder lauert ein Spezialist", zitiert er den Wiener Mediziner Julius Tandler (1869-1936) und stellt fest: So zahlreich die Hormone, so zahlreich die Experten.

Auf der Suche nach ewiger Jugend und ewigem Leben hat die künstliche Gabe von Hormonen an gesunde Menschen eine lange Tradition, "quer durch den Drüsengarten der Tierwelt", schreibt Tekal. Ende des 19. Jahrhunderts gelang mit der Entschlüsselung der hormonellen Substanzen deren synthetische Herstellung.  

Spiel mit dem Feuer

Mit dem Versprechen von Schönheit, Jugend und der Steigerung der Potenz werden einerseits Geschäfte gemacht, auf der anderen Seite, etwa mit der synthetischen Herstellung von Insulin, Leben gerettet. Als "Spiel mit dem Feuer" bezeichnet Tekal die Hoffnung der Hormonforschung auf beglückende Elixiere für die Menschheit. Denn den Erkenntnissen aus der Forschung folgen oftmals Interpretationen von Werbestrategen und Journalisten der Klatschpresse.

So erhalten Hormone schillernde Namen wie "Kuschelhormon", "Sexhormon" oder "Reichtumshormon", in Folge bilden sich Mythen. Die Erwartungshaltungen – etwa an Melatonin als Mittel gegen Schlafstörungen und Depressionen – sind laut Tekal meistens völlig überzogen.  

Vor allem in Geschlechtshormonen, die als "Scharfmacher" gerne teuer online bestellt werden, sei oft nichts drin, und gerade dieses Nichts könne, so der Mediziner, für den Konsumenten mitunter lebensrettend sein. Denn Mittel, die tatsächlich Hormone enthalten, seien in ihrer Wirkung unberechenbar.

Haferbrei statt Stierhoden

Als Alternative könne man auf die guten alten Hausmittel wie die Ginseng und Haferflocken zurückgreifen. "Ein wenig Haferbrei macht mindestens ebenso sexy wie gekochter Stierhoden, der keinerlei Wirkung hat (außer für den Stier, in nicht gekochtem Zustand)", so der Arzt und Kabarettist.

Tekal beleuchtet Pro und Kontra von Hormonen aus dem Garten oder der "ganzheitlichen Hormontherapie" und ermächtigt die Leserinnen und Leser am Ende des Buches zur aktiven Gestaltung ihres eigenen Hormonhaushaltes: "Auch wenn wir uns Tag für Tag am Gängelband unserer Hormone fühlen, nun gängeln wir zurück!" Und zwar mit den oben bereits erwähnten Maßnahmen essen, schlafen, spielen, kuscheln, Sex und Bewegung. Wobei das Thema Essen durchaus ein- bis zweimal die Woche den Verzicht aufs Abendessen beinhaltet.

Es bedarf viel an Wissen und Fantasie, um ebenso kompetent wie witzig in die komplexe Welt der Hormone einzuführen. Ronny Tekal verfügt über beides. Angereichert mit kritischen Reflexionen und neuesten Erkenntnissen aus der Forschung liest sich sein Buch streckenweise wie ein Thriller, den man nicht mehr aus der Hand legen möchte. (Eva Tinsobin, derStandard.at, 6.12.2013)