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Der Chef der evangelischen Diakonie, Michael Chalupka, findet den Standpunkt des Innenministeriums "skandalös".

Foto: REUTERS/Herwig Prammer
Wien - Daniel (3, Name geändert) hustet nicht. Auch anstecken kann der jüngste Bub einer georgischen Asylwerberfamilie niemanden, das hat ein Arzt des Tuberkulosereferats der Stadt Wien festgestellt. Krank jedoch ist er: "Manifeste Tuberkulose", die eine langwierige Medikamentenbehandlung nötig macht.

Diese Behandlung zahlt derzeit die Stadt Wien: Daniel und seine Mutter sollen für drei Wochen in einem Spital aufgenommen werden. Davor hatten die Asylbehörden in Traiskirchen den Antrag auf Bundesbetreuung für die fünfköpfige Familie abgelehnt: Keine Unterbringung, keine Versorgung, keine Krankenversicherung - keine Behandlung.

"Der Asylantrag des Vaters ist aussichtslos, weil er in Österreich vergangenes Jahr straffällig geworden ist. Also sind private Flüchtlingshilfeorganisationen zuständig oder die Länder. Die Gesundheitspolizei kann ja die Isolierung des Buben anordnen", heißt es dazu aus dem Innenministerium. Eine Sicht der Dinge, die Michael Chalupka, Direktor der evangelischen Diakonie, "skandalös" findet. "Die Familie ist aus Traiskirchen einfach die Straße gesetzt worden und bei unserer Beratungsstelle gelandet. Die Tuberkulose des jüngsten Sohnes war damals bekannt", schildert er.

"Die Asylbehörden interessiert selbst das Vorliegen schwerer Infektiösen nicht", bemerkt Chalupka bitter. Doch mittlerweile gehöre es auch zur Norm, dass "Familien mit kleinen Kindern und Hochschwangeren" die staatliche Versorgung verweigert werde: Eine "absolut kranke" Situation, die viele Beamte zum Verzweifeln bringe - "und in den Beratungsstellen der Diakonie häufen sich wegen der ständigen Überlastung die Krankenstände."

Selbst die Ursache für Daniels Tuberkulose sei - so Chalupka - im Grunde "im System" zu suchen, dem Asylwerber derzeit europaweit ausgesetzt sind: Eineinhalb Jahre lang bereits zieht sich die Flüchtlingsgeschichte der Georgier. Ein erster Asylantrag im Februar 2002 in Österreich wurde abgelehnt, die zweite Instanz bestätigte dies.

Ansteckung im Heim

Die Familie übersiedelte nach Deutschland: Auch dort gab es kein Asyl. In Aachen kam dann die Tuberkulose ins Spiel: Daniel habe die Erkrankung "an einer offenen TB im Asylantenheim erworben", attestiert ein dortiger Mediziner.

Die Rückschiebung nach Österreich erfolgte trotzdem. Hier stellte sich heraus, dass auch Daniels Geschwister die Tuberkelbazillen in sich tragen. Zwar sei in solchen Fällen das Risiko, akut zu erkranken, minimal, betont Beatrix Schmidgruber vom Tuberkulosereferat: "Beobachtet werden muss aber auch das.(Irene Brickner/DER STANDARD, Printausgabe, 9./10.8.2003)