... und dem Gospel von Bob Dylan: Neue Alben aus dem Feld des Anti-Folk, des Hybrid-Folk, des dreckigen Rock'n'Roll
Redaktion
,
ADAM GREEN
Friends Of Mine
(Rough Trade)
Das New Yorker Scherzkeks zählt mit seinem
Duo The Moldy Peaches zu den herausragenden
Vertretern der New Yorker
Minibewegung „Anti Folk“. Die vertritt im
Wesentlichen die Idee, dass man auch mit
rotzfrechem Dilettantismus zwischen Dada
und Gaga und Lou Reed mit verstimmter
Gitarre in der Fußgängerzone über das
Behelfsmittel absolut wertloser „Musik“
eine Karriere machen kann. Auf diesem
seinem dritten Soloalbum hat sich Adam
Green allerdings ordentlich zusammengerissen
und legt seinen Studentenhumor
zwischen garstigen Wörtern und pubertären
Witzen im Sinne großer Songwriter
mit Akustikgitarre und Streichorchester
an. Highlights: Der einfühlsame Comics-
Song Jessica Simpson oder die Tragödie
von Hard To Be A Girl. Ach ja, der alte
Kindskopf Jonathan Richman mit seinem
„Buzz, buzz, buzz makes the Honey bee“
oder dem Egyptian Reggae lässt auch öfters
grüßen. Nach einer halben Stunde und 15
Songs ist der ganze Spaß vorüber. Keine
Minute zu viel!
VARIOUS ARTISTS
Gotta Serve Somebody – The
Gospel Songs Of Bob Dylan
(Sony)
1979 schockierte
der alte Freigeist Bob Dylan seine
Hörer mit der Nachricht, künftig als wiedergeborener
Christ durchs Leben gehen
zu wollen. Es entstanden mit den Alben
Slow Train Coming oder Saved verstörende
und von der Kritik damals entsetzt abgelehnte
Dokumente eines Ringens um den
Glauben. Nicht umsonst zählt Slow Train
Coming zu den absoluten Lieblingsplatten
von Nick Cave („Es ist ein sehr religiöses
Album, aber auf eine dunkle, verstörende
und kranke Art und Weise.“) Heute gelten
Songs wie Gotta Serve Somebody oder Solid
Rock längst als Dylans früherem Material
ebenbürtig an die Seite gestellt. Hier
hören wir die Lieder von afroamerikanischen
Gospel-Größen wie Shirley Caesar,
Sounds Of Blackness oder Mighty Clouds
Of Joy. Und es wird dabei auch mitunter
auf Dylans große Periode in den 60er-Jahren
zurückgegriffen. Sicherlich ein Höhepunkt
dieser Kompilation: Aaron Neville
mit seiner Engelsstimme interpretiert Saving
Grace. Die Himmelstür steht auch
dem größten Sünder offen.
THE MOONEY SUZUKI
Electric Sweat
(Sony)
Das
US-Quartett verweist zwar mit seinem
Bandnamen auf die Damon Suzuki und
Malcolm Mooney, die Sänger der legendären
deutschen Band Can aus den 70er-Jahren.
Die Musik allerdings brettert ganz im
Zeichen von Detroit, Motor City, in den 60-
er- und frühen 70er-Jahren dahin. The
MC 5 mit hartem, dreckigem Rock’n’Roll
stehen hier ebenso Pate wie das Soul-Label
Motown. Man hat das alles schon hundert
Mal von unzähligen Mod-Bands gehört.
Aber Gassenhauer wie Natural Fact
rocken noch immer jede Party.
NINA NASTASIA
Run To Ruin
(Touch And Go/
Trost)
Unter der Produktionsregie von
Steve Albini und mit dem von Nick Cave
und the Dirty Three bekannten Jim White
am Schlagzeug ist hier eines der düstersten
und sperrigsten Hybrid-Folk-Alben
entstanden, das man seit Nick Drakes letzten
Zuckungen auf Platte gehört hat. Das
Lachen hat die US-Songwriterin definitiv
nicht erfunden. Die atmosphärischen Zeitlupen-
Exerzitien sind am ehesten noch
mit Zeitgenosse Michael Gira, dem ehemaligen
Todesengel der Swans, vergleichbar,
der mit seinem aktuellen Projekt The Angels
Of Light vor kurzem schon an dieser
Stelle vorgestellt wurde. Es hat ja auch niemand
behauptet, dass Musik nicht mitunter
auch als bedrückend empfunden werden
darf. (DER STANDARD, Printausgabe, 8.8.2003)
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