Lech Zürs Tourismus
Sven Greie redet wie ein Animateur in einem Ferienklub. Dass wir ein Riesenglück mit dem Wetter haben. Dass es am Nachmittag noch schöner, aber nicht heißer wird. Dass der leichte Wind ideal für das Wandern im Sommer ist. Dass Lech deshalb so schön ist, weil es nicht in einem engen Tal, sondern auf einer Hochfläche liegt. Und dass das Omeshorn das Matterhorn des Arlbergs ist.

Aber Sven ist kein Animateur, sondern Magister der Sportwissenschaften, und arbeitet an einer Dissertation zum Thema "Gesundheitsförderung durch Bergwandern in mittleren Höhen bei Personen mit Metabolischem Syndrom".

Wolfgang Schobersberger redet wie der Manager eines Ferienklubs. Von mobiler Meditation, Health-Coaching und einem steigenden Interesse an Gesundheitsurlaub, der keinesfalls mit einem Kuraufenthalt verwechselt werden dürfe. Schobersberger ist habilitierter Anästhesist und Intensivmediziner und befasst sich mit Forschungsprojekten zur Leistungsphysiologie und Untersuchungen über die Wirkung von Höhe auf den Organismus. Gemeinsam mit einem Kollegen, dem Höhenmediziner Egon Humpeler, hat er das IHS (Institut Humpeler & Schobersberger) gegründet, das in Lech am Arlberg den "Welltain-Urlaub" propagiert. Sven Greie arbeitet dabei als "Personal Coach".

"Welltain" ist ein geschützter Name - eine Verbindung von Wellness und Mountain - und das sieht dann so aus: Am ersten Vormittag marschieren wir auf einer markierten Teststrecke, wobei ein Messgerät die Herzfrequenz und die Gehzeit feststellt. (Am Ende des Urlaubs wird die Messung wiederholt und der Effekt untersucht.) Am Nachmittag steht Zirkeltraining auf dem Programm. Und jetzt sind wir auf dem Weg zu den so genannten "Gipslöchern", einer, wie Sven erklärt, einzigartigen geologischen Besonderheit.

Mehrmals am Weg misst er Pulsfrequenz und Sauerstoffsättigung und ermahnt uns, nicht zu schnell zu gehen. Nur 70 Prozent der maximalen Herzfrequenz sollen erreicht werden, um einen positiven Trainingseffekt zu erzielen. Es gilt die Regel: lieber langsamer, dafür länger.

Der Welltain-Urlaub ist die Umsetzung der Ergebnisse einer medizinischen Studie, die Humpeler und Schobersberger zwischen 1998 und 2000 unter dem Namen Austrian Moderate Altitude Study (AMAS) durchführten. Untersucht wurden die gesundheitlichen Auswirkungen eines dreiwöchigen Urlaubs in unterschiedlichen Höhen auf Personen, die unter dem so genannten "Metabolischen Syndrom" leiden, das ist ein Zusammenspiel aus hohem Blutdruck, Übergewicht und erhöhtem Blutfettspiegel. Es wurde festgestellt, dass sich körperliche Bewegung in gemäßigten Höhenlagen - zwischen 1300 und 2000 Metern - am positivsten auf die erwähnten Zivilisationskrankheiten auswirkt.

Als besonders effektive Form körperlicher Bewegung stellte sich dabei Nordic Walking heraus - eine Adaption des seit jeher als gesund und lustvoll bekannten Skilanglaufens, die in den Neunzigerjahren in Finnland als Sommertraining für Langläufer entwickelt wurde und inzwischen auch bei uns beliebt ist. Nordic Walking steht bei Sven am zweiten Tag auf dem Programm. Er teilt dazu federleichte Karbonstöcke aus, mit ergonomischen Griffen und Schlaufen, die den Stock fest mit der Hand verbinden. Das Erste, was es zu lernen gilt, ist, die Stöcke nicht "passgangartig" auf der Seite des Vorwärtsschritts einzusetzen, sondern, ganz wie beim Langlaufen, im Diagonalschritt.

Der Rest ist schnell erlernt: Die Oberarme bleiben nahe dem Körper, die Bewegung kommt aus den Unterarmen, die fixierten Stöcke pendeln mit den Händen mit, bald stellt sich ein angenehmer Rhythmus ein. Durch den Einsatz der Stöcke werden, wie Sven erklärt, mehr als beim normalen Gehen Herz und Kreislauf sowie neunzig Prozent der Muskulatur trainiert.

Und Wolfgang Schobersberger ergänzt: Selbst Menschen mit schwerem Übergewicht oder orthopädischen Problemen können es praktizieren. Noch hat sich "Welltain" nicht so richtig durchgesetzt. Urs Kamber, Direktor der Lech-Zürs-Tourismus GmbH, die das Programm vergangenes Jahr mit Landesförderung als Pilotprojekt startete, spricht von einer "Baustelle" und einer "Lernkurve" und ist "froh, wenn das in fünf Jahren läuft". Ganze 14 Gäste haben 2002 das 14-tägige und mit (heuer) 1490 Euro ohne Hotelunterkunft nicht ganz billige Programm gebucht. Auch wenn die Unterkunft in manchen der Viersterne-"Welltain"-Hotels im Sommer nicht mehr als 50 Euro pro Nacht kostet, ist das nicht für jedermann erschwinglich.

Deshalb bietet man bereits eintägige oder Wochenend-"Welltain-Module" an, obwohl Humpeler-Schobersberger "zumindest zwei Wochen Höhentraining zur Erzielung nachhaltiger Effekte" für nötig erachten. Tourismus-Direktor Kamber geht inzwischen für kommendes Jahr auch von einwöchigen Programmen aus, bei denen die Unterkunft nicht mehr an "Welltain"-Hotels gebunden ist.

Der Gast soll die Wahl haben zwischen Ferienwohnung und Hotel Post und das "Welltain" buchen wie im Winter den Skikurs. Durch ein professionelles Marketing soll die Zahl der Gäste erhöht und die Kosten gesenkt werden.

Medizinmanager Wolfgang Schobersberger träumt indes von Franchising: "Welltain" soll es in Zukunft nicht nur in Lech, sondern auch in Tirol, der Schweiz, Frankreich, Südtirol und vielleicht in den deutschen Voralpen geben. (Der Standard/rondo/08/08/2003) Tipp: Informationen: Institut Humpeler & Schobersberger Tel. und Fax: 0512/546126, wolfgang.schobersberger@uibk.ac.at ; www.ihs-research.at ; Termine: Bis 13. Sept. 2003. Kosten: 14 Tage Welltain, inklusive medizinischen und Fitnesschecks, exklusive Hotelunterkunft € 1490, ganztägiges Welltain-Modul € 89, Wochenend-Welltain-Modul exklusive Hotelunterkunft € 149, Welltain-Fit-Check € 59; Buchung: Lech Zürs Tourismus GmbH Tel.: 05583/21610, Fax: 05583/3155; info@lech-zuers.at ; www.lech-zuers.at