Galerist Carsten Greve: "Die Mediengesellschaft mit ihrer Pseudo- Informationsvielfalt und Oberflächlichkeit hat einen erheblichen Qualitätsverlust verursacht."

Foto: Galerie Greve
Köln - Wo früher der Auktionator Van Ham den Hammer sinken ließ, kann der Galerist Karsten Greve, Jahrgang 1946, seit zwei Jahren an der Kölner Drususgasse geradezu museale Raumverhältnisse bieten. Zuletzt Louise Bourgeois, deren galeristischer Korrespondent er in Europa ist. Erst im Schatten der Männergesellschaft, habe sich ihr Oeuvre in dieser intensiven Form entwickeln können. Und natürlich hätten die deutschen Museen Louise Bourgeois noch immer nicht entdeckt, sagt Greve, ein Freund klarer Worte.

Wenn der Weltgeltungsgalerist seine Künstler zeigt, die in der Regel Weltgeltungskünstler sind, zeigt er Konzentrate. Künstler in einer zumindest europäisch dimensionierten Galerie - mit Dependancen in Paris, Mailand und St. Moritz. Die Schweiz, natürlich Basel. Die US-Sammler bedienen sich bei der Art Basel zuweilen eines Tricks: ein Ausstellerticket am Revers, gleichsam die Pre-Pre-Preview vor der offiziellen Hatz auf die Spitzen der Greve-Offerte! Mit Cleverness und Gottes Hilfe den ersten roten Blick-Punkt setzen auf Twombly und Kounellis, Lucio Fontana und Jean Dubuffet, Piero Manzoni und Louis Soutter, Beuys und Graubner!

In Basel bildet Amerika die zweitgrößte Anbietergruppe. Kölns Art Cologne ziele ohnehin auf das europäische Spektrum, zunehmende Teilnehmerstraffung inbegriffen, für die Greve als Sprecher des Zulassungsausschusses rigoros qualitätsorientiert plädiert hat. Eine Tätigkeit, die mit 2003 vertraglich endet, nach sechs intensiven Jahren. Die derzeitige Kauflähmung am deutschen Kunstmarkt umschreibt er mit "emotionaler Befangenheit" und weiß um dieses im Grunde "irrationale Phänomen", eine Stimmung, die weder Zufriedenheit noch Aufbruch signalisiere.

Und wie der eigene Aufbruch aussah? In Berlin aufgewachsen, studiert Greve in Köln und Lausanne Jus und Kunstgeschichte und entscheidet sich mit 23 für das Denken mit den visuellen Sinnen. Er sammelte bereits als Student (1966 das erste Blatt von Cy Twombly), schaute den Galeristenlegenden Änne Abels und Alfred Schmela über die Schulter. Auf der Art Basel 1973 begnügte man sich noch mit selbst gebastelter Kojenbeleuchtung und dem VW-Bus als Kunst-Vehikel - indes: Drei Kojenwände mit Zeichnungen von Paeffgen, Hockney und Twombley wurden komplett verkauft.

Bereits 1973 überraschte er den Kunstbetrieb mit den Körperabdrücken Yves Kleins - ein Youngster im Ausstellungsschatten des gewichtigen Düsseldorfer Kleingaleristen Alfred Schmela. Anno 2003 heißt es also 30 Jahre Galerie Greve: "Es ging damals allein darum, die eigenen Ausstellungen durchzusetzen. Von der heutigen Subventionsmentalität junger Galerien keine Spur. Im aktuellen Messegeschehen kommt es zum riesigen Protest-Tanz, wenn den Jungen nicht irgendjemand irgendetwas bezahlt. Die Leute verlassen heute mit wunderbaren Zeugnissen die Uni, aber die Risikobereitschaft ist gleich null, oder das Risiko muss extrem bezahlt werden. Das irritiert mich schon sehr."

20.000 Bilder verkauft

1970 verkündete Greve, dabei von nicht wenigen belacht, dass für ihn Twombly, Kounellis, de Kooning, Cornell, Polke und Palermo die Größten sind. Recht behalten hat er. Mittlerweile sind ein Drittel aller Twombly-Arbeiten durch Greves Hände gegangen, ebenso von Fontana und Manzoni. Weit über 10.000 Arbeiten, die er gehandelt hat, liegen heute in sechs- bis achtstelligen Sphären. Greve: "In den 30 Jahren habe ich sicher über 20.000 Bilder verkauft."

Den österreichischen Kunstmarkt nimmt er mit zunehmendem Interesse wahr: "Österreich hat sich sehr positiv entwickelt. Die Aktivitäten auf dem Kunstsektor gehen inzwischen von den Galerien selber aus, nachdem diese jahrelang vom Staat bis zu 80 Prozent subventioniert wurden. Auf den Messen war das eine harte Konkurrenz, allein schon angesichts eines enormen Equipments. Das Museumsquartier hat nicht minder wichtige Impulse gesetzt."

Und die Atmosphäre des heutigen Kunstmarkts insgesamt? Den "Zirkus" der Biennalen empfindet Greve als "ziemlich unerträglich", der neugierige Kunstliebhaber werde in den Galerien zunehmend vermisst. "Die Mediengesellschaft mit ihrer Pseudoinformationsvielfalt und Oberflächlichkeit hat einen erheblichen Qualitätsverlust verursacht. Die Suche nach dem gemeinsamen Nenner ist wohl meist die nach dem dümmsten und niedrigsten."

Greve geht davon aus, "dass wir zukünftig im Kunsthandel internationale Zusammenschlüsse größeren Ausmaßes sehen werden. Ich erwarte dieses Fusionssystem." Das heute schon gängige Partnersystem vieler englischer und amerikanischer Galerien kommt nicht nur in Deutschland zum Zuge. Französische Händler haben über Jahrzehnte gewichtige Werke zusammen finanziert. Nicht minder wurden Verträge mit Künstlern aufgeteilt. Die Fusion im internationalen Rahmen habe nicht zuletzt mit der zunehmenden Marktunterlegenheit der EU gegenüber der Schweiz und der USA zu tun. Denn das Folgerecht, die höhere Umsatz- und Mehrwertsteuer verursachten eine Marktunterlegenheit von über fünf Prozent. (DER STANDARD, Printausgabe, 7.8.2003)