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Der deutsche Kabarettist und Autor Dieter Hildebrandt, hier auf einem Archivbild aus dem Jahr 2006, ist gestorben.

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München/Wien - Über seine Wirkungsmacht als Kabarettist und politischer Analytiker der deutschen Zustände urteilte er einmal: "Ich bin zu dem festen Entschluss gekommen, auf gar keinen Fall zuzugeben, dass ich resigniere. Ich will das nicht. Vielleicht ist das töricht, ich weiß es nicht. Aber ein bisschen töricht muss jemand sein, der auf eine Bühne geht."

Dieter Hildebrandt prägte das politische Kabarett in Deutschland von dessen Wirtschaftswunder herauf bis in die Nullerjahre wie kein Zweiter. Geholfen hat ihm dabei nicht nur eine Sprachbegabung, die davon ausgeht, dass Denken und Sprechen auf jeden Fall miteinander zu tun haben - oder es zumindest sollten.

Der 1927 in einem nationalen Haushalt im schlesischen Bunzlau geborene Mann hatte nach den Kriegserfahrungen als Flakhelfer und kurz auch noch als Soldat früh erkannt, dass man das vermeintlich Gute im Menschen auch unbedingt als unbeugsamer Demokrat, in seinem Falle als parteibuchloser Sozialdemokrat hervorkitzeln müsse. Scheitern ist erlaubt, aber der Versuch ist Pflicht.

Nach einem abgebrochenen Studium der Theaterwissenschaften probierte sich Hildebrandt Anfang der 1950er-Jahre in seiner neuen Heimat München in einer ersten Kabarettgruppe. 1956 folgte gemeinsam mit Sammy Drechsel die Gründung der Münchner Lach- und Schießgesellschaft.

Es folgten gemeinsame erfolgreiche Jahre im Duo mit dem österreichischen Kabarettisten Werner Schneyder, die legendäre Fernsehsendung Notizen aus der Provinz und 23 Jahre lang im ARD-Hauptabendprogramm der zeitweise heftig umstrittene, zensurierte, auch einmal abgesetzte Scheibenwischer. Kollegen wie Gerhard Polt oder Konstantin Wecker verhalf er hier zu früher bundesweiter Aufmerksamkeit.

Hildebrandt machte sich gegen die bundesdeutschen Notstandsgesetze stark und bekämpfte den Politfilz um Franz Josef Strauß. Helmut Kohl und Helmut Schmidt waren ihm ebenso ein Dorn im Auge wie immer wieder und noch einmal der eben auch sprachliche Sittenverfall der Politik. Motto: Die Zeiten waren schon schlechter, aber sie könnten besser sein.

Dank diebischer Freude an den eigenen Monologen, die genüsslich vom Skript abwichen, scheinbar hilflos ruderten, um sich dann aufgrund erwünschter Publikumszurufe umso gnadenloser auf das Thema zu stürzen, hatte er in seinem Fach kaum Konkurrenz.

Im Dezember nun wollte er seinen Bühnenabschied feiern. Eine schwere Prostatakrebserkrankung kam dazwischen. Am Montag ist Dieter Hildebrandt 86-jährig in einer Münchner Klinik gestorben. Er wird fehlen. Weiß Gott. (Christian Schachinger, DER STANDARD, 21.11.2013)