Robotik-Experte Gottfried Koppensteiner von der Wiener Schule der Technik ist überzeugt, dass Robotik Kinder beim Lernen unterstützen kann.

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"Früher haben wir unseren Walkman zerlegt, heute ist es fast unmöglich, ein iPhone zu zerlegen. Und wenn, sehen wir zwei schwarze Boxen, das war's - wie sollen sich Jugendliche da für Technik begeistern?", fragt sich Gottfried Koppensteiner. In seinem Labor an der Wiener HTL TGM (Schule der Technik) arbeitet der Robotikexperte mit Kindern verschiedener Altersstufen.

Er ist überzeugt, dass Robotik Jugendliche beim Lernen unterstützt und ihnen einen speziellen, fächerübergreifenden Zugang zu den Mint-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) ermöglicht. "Hier an der HTL machen die Mechaniker kaum Informatik - und umgekehrt. Hier im Robotiklabor kommen sie zusammen, helfen und lernen voneinander."

Damit Kinder und vor allem Mädchen sich überhaupt für Technik interessieren, hat er ein Projekt entwickelt, das noch viel weiter greift. "Genibotik" umfasst Kinder und Jugendliche von drei Jahren bis zur Matura unter besonderer Berücksichtigung der gendergerechten Entwicklung. Das soll das "Gen" von Gender im Namen ausdrücken. "Ich bin überzeugt, dass wir mehr Frauen in der Technik brauchen", sagt Koppensteiner. Deswegen hat er mit diversen Partnerinnen und Partnern ein Projekt bei "Talente Regional" eingereicht, ein Programm des Verkehrsministeriums, das schon im Kindergarten ansetzt. "Tu mir nichts, ich tu dir auch nichts", beschreibt die Kindergartenpädagogin Brigitte Reisinger-Priganost die erstaunte Reaktion eines Kindes auf die sogenannten "Bee-Bots". Dabei schauen die Roboter in Bienchenform eigentlich süß aus. Die meisten der Kinder seien auch begeistert und gar nicht verschreckt.

Reisinger-Priganost verwendet die "Bee-Bots" am BAKIP 21 (Bildungsanstalt für Kindergartenpädagogik) bei der Ausbildung von Kindergärtnerinnen und Kindergärtnern, die diese wiederum zu den Kindern bringen. "Wichtig ist uns dabei der freie Zugang", erklärt sie. Das heißt, die Kinder dürfen ohne Anleitung ausprobieren, welche Funktion die verschiedenen Pfeiltasten auf der Roboterbiene haben.

Durchsichtige Matte

Die "Bee-Bots" fahren in bestimmten Abständen über eine durchsichtige Matte mit Rastermaß. Diese kann mit verschiedenen Symbolen oder einer Landkarte unterlegt werden. "Bei Volksschulkindern kann dies zum Beispiel im Rechen-, Deutsch- oder auch Englischunterricht eingesetzt werden, indem man die Kinder eine Einkaufsliste entlang verschiedener Stationen erledigen lässt", erklärt Koppensteiner. Durch Tastendruck werde der Weg programmiert. "Die Kinder lernen so spielerisch, analytisch zu denken."

Für verschiedene Altersgruppen werden verschiedene Roboter eingesetzt, bei den Älteren kommen sogenannte Lego-Mindstorms zum Einsatz, die mehr können, als sich Wege merken. Ziel ist es, verschiedene Methoden und Konzepte zu entwickeln, um Roboter im Unterricht einzusetzen.

"Genibotik" arbeitet im Kernteam mit sechs Bildungseinrichtungen in Wien 21 zusammen. Die Mindestvoraussetzungen für eine Förderungsmöglichkeit bei "Talente Regional" sind fünf Schulpartner, zwei Industriepartner, wissenschaftliche Partner sowie eine Forschungseinrichtung. Im Falle von "Genibotik" ist es das Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik der TU Wien. Mindestlaufzeit sind zwölf, maximale Laufzeit 18 Monate.

Nach dem Auslaufen von "Genibotik" im Rahmen des "Talente Regional" -Programms im kommenden April wird der Verein Pria (Practical Robotics Institute Austria) das Projekt gemeinsam mit der TU Wien fortführen. "Nur ein geringer Teil des Geldes geht in die Verwaltung, der Großteil in die Hardware", hält Koppensteiner fest, "die Roboter bleiben als Unterrichtsmaterialien an den Schulen."

In den Mittelschulen und an der HTL werden statt der "Bee-Bots" sogenannte Lego- und Botball-Roboter eingesetzt. "Wir verwenden die Programmiersprache 'C'", sagt Koppensteiner, "außerdem geht es um mechanische Inhalte." Auch das Projektmanagement ist ein wichtiges Lernziel. "Die Schülerinnen und Schüler dokumentieren alles auf Englisch, die Berichte werden an die Botball-Initiative in den USA geschickt, dann gibt es Feedback von Robotic-Experten." Von 8. bis 11. April 2014 wird im Rahmen der "European Conference on Educational Robotics" auch eine Botball-EM stattfinden: Jedes Startteam erhält ein Robotikset, bestehend aus Metall- und Legoteilen, Sensoren, Controllern und handelsüblichen Staubsaugerrobotern. Die Wettbewerbsaufgabe wird jedes Jahr neu definiert. 2013 etwa ging es darum, Marsroboter für Aufgaben wie Gesteinsprobensammeln und -sortieren zu optimieren.

Fächerübergreifender Effekt

"Bei der Konferenz müssen die Jugendlichen ihren Roboter auf Englisch präsentieren und eine wissenschaftliche Arbeit verfassen", erklärt Koppensteiner den fächerübergreifenden Effekt. Er ist überzeugt, dass Mädchen und Burschen in allen Altersstufen mit unterschiedlichen genderspezifischen Aufgabenstellungen konfrontiert werden sollten. "Gleichbehandlung bedeutet nicht gleich unterrichten", meint er. "Bei den Burschen geht es bald einmal um höher und schneller, bei den Mädchen um soziale Aufgaben."

Ist das nicht eine Prolongierung des Klischees? "Es gibt einen Unterschied zwischen Buben und Mädchen, das soll man nicht verneinen. Wir sind da sehr zielorientiert. Wichtig ist uns, dass das Interesse an der Technik geweckt wird", sagt Koppensteiner. (Tanja Paar, DER STANDARD, 20.11.2013)