Walter Rosifka (li.) und Eugen Otto sind sich darin einig, dass die Zuschläge im Richtwertmietensystem besser geregelt gehören. Dass es auch in ausfinanzierten Zinshäusern eine vernünftige Rendite geben sollte, sieht aber nur Otto so.

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Zinshaus-Makler Eugen Otto und AK-Wohnrechtsexperte Walter Rosifka im Zwiegespräch über den Zinshausboom und Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt. Martin Putschögl musste kaum eingreifen.

STANDARD: Wiens Zinshäuser werden immer weniger. Herr Rosifka, wie sehr bedauern Sie es eigentlich, dass damit auch günstige Altbauwohnungen verschwinden?

Rosifka: Seit 1981 gingen an die 100.00 Altbauwohnungen verloren - nicht nur durch Abbruch, sondern auch Zusammenlegungen. Das ist bedauernswert. Noch viel mehr bedauere ich aber das Verschwinden günstiger Wohnungen dadurch, dass sie einfach keine solchen mehr sind. 1985 wurde der "angemessene Mietzins" im Althausbereich eingeführt, die Rechtsprechung hat den Begriff "angemessen" dann aber gleichgesetzt mit "Marktmiete". Im Zuge der Expo-Hysterie 1990/91 führte das dazu, dass astronomische Mieten verlangt wurden. Das Richtwertgesetz sollte dem Grenzen setzen. Es ist aber völlig untauglich. Und jetzt kommt es wieder zu Aktionen wie in den 1990er-Jahren, als Mietern der Strom abgedreht und Gasrohre angebohrt wurden ...

Otto: ... und Klos am Gang zugemauert ...

Rosifka: ... und Buttersäure im Haus versprüht wurde.

Otto: Man muss hier zwei Dinge auseinanderhalten: Steigende Preise für Zinshäuser haben nichts damit zu tun, dass sich die Mieten verändern. Zweitens: In jedem Bereich gibt es Outlaws, die nicht verstehen, dass es Gesetze gibt, an die man sich zu halten hat. Die von Ihnen geschilderten Situationen sind absolut und ausnahmslos unzulässig, in erster Linie natürlich rechtlich, aber auch moralisch und zwischenmenschlich. Es ist nicht in Ordnung, schon gar nicht, wenn Dinge passieren, die Leib und Leben beeinträchtigen - mit Buttersäure etc.

Rosifka: Es ist halt schwer beweisbar, das ist das Problem.

Otto: Ich verwalte seit 33 Jahren Zinshäuser. Auswüchse hat es immer gegeben. Von einer Zunahme illegaler Aktivitäten - beweisbar oder nicht - bemerke ich nichts. Und wir haben mit einer ganzen Reihe von Häusern zu tun, auch im Substandardbereich. Was in Österreich funktioniert, ist der niederschwellige Zugang zum Recht - also die Überprüfung des Mietzinses zu veranlassen etc. Das dauert zwar meist einige Zeit, aber man kann sich diesen Zugang relativ leicht verschaffen.

STANDARD: Denken Sie nicht, dass der aktuelle Renditen-Druck am Zinshausmarkt diese Auswüchse zumindest begünstigt?

Otto: 74 Prozent der Gründerzeit-Zinshäuser sind in Privatbesitz. Die Käufer der letzten Jahre sind Private, die mit der Veranlagung in Immobilien bisher wenig zu tun hatten. Die wollen mehr oder weniger gut renovierte Häuser, mit denen sie keinen Aufwand haben.

Rosifka: Sie sind Sachverständiger, Sie wissen wohl noch besser als manch anderer, was vor Gericht hält und was nicht. Da sieht ein Eigentümer, dass der Nachbar 9 Euro verlangt, er selbst nur 7,30 Euro. Und der sagt dann zu seinem Verwalter, er soll das auch verlangen. So eine Weisung muss man als Verwalter doch einhalten, zumal wenn man weiß, dass das Einzige, was passieren kann, ist, dass man die zu viel verlangte Miete zurückzahlen muss. Und das kommt in zehn Fällen einmal vor.

Otto: Es gibt natürlich diese Begehrlichkeiten mancher Eigentümer. Wir weisen die dann darauf hin - auch zu unserer eigenen Absicherung -, was der maximale Interpretationsspielraum ist. Wenn er mehr verlangt, geht er dieses Risiko ein. Sehr häufig hält man sich, manchmal zähneknirschend, an unsere Empfehlungen. Natürlich besteht Interpretationsspielraum in den Zu- und Abschlägen. Es steht nirgends explizit drin, dass die Wohnung maximal das und minimal das wert ist.

Rosifka: Genau das ist das Problem, das wir haben. Die Vermieter interpretieren am oberen Rand. Und der Zugang ist nicht so niederschwellig, wie Sie sagen, denn wenn man selbst glaubt, man zahlt 30 Prozent zu viel Miete, ein Sachverständiger setzt das aber nur bei 15 Prozent an, dann hat der Mieter ein Kostenrisiko. Wenn es nicht mindestens 20 Prozent sind, muss er nämlich die Hälfte der Sachverständigenkosten zahlen. Das schreckt alles ab.

Otto: Was Sie gerade gesagt haben, war mir so nicht klar. Ich fände es total in Ordnung, wenn der Schwächere bei der Rechtsdurchsetzung unterstützt wird. Der, der am schwächeren Ast sitzt, soll ein geringeres oder gar kein Risiko damit haben, sein Recht durchzusetzen. Und ich wäre auch dafür, mehr Klarheit bei den Zuschlägen zu schaffen. Man wird niemals im Gesetz alle Lagen und Ausstattungen berücksichtigen können, aber mit einem Katalog von Zuschlägen kann man nahe rankommen.

STANDARD: Mit einer Aufzählung der Zuschläge im Mietvertrag könnten Sie beide also vorerst leben?

Otto: Total, ja.

Rosifka: Eine Nennung inklusive einer Festlegung, wo man sagt, für diese 15 Merkmale gibt's soundso viel, oder auch für einen Erstbezug nach Sanierung - das würde einiges helfen. Manche Qualitäten sind im Gesetz überhaupt nicht abgebildet - etwa ob es einen Balkon gibt oder nicht.

Otto: Damit kann ich auch leben, ich glaube nur, dass wir nicht 15, sondern 30 Merkmale brauchen.

STANDARD: Herr Otto, schließen Sie aus, dass von Zinshauskäufern auf eine Aufhebung der Mietzinsobergrenzen spekuliert wird?

Otto: Absolut. Davon kann kein vernünftig denkender Mensch ausgehen.

Rosifka: Wir beobachten diesen Hype schon. Vermieter erwarten sich beim nächsten Mieterwechsel eine höhere Miete. Und die Fluktuation ist im privaten Bereich durch die vielen Befristungen schon bei zehn oder zwölf Prozent. Zinshäuser sind von den Errichtungskosten her ausfinanziert. Und da ist es unserer Ansicht nach die Frage, welche Rendite man zulässt. Wenn jemand heute 150 Prozent mehr zahlt für ein Zinshaus als vor zehn Jahren, ist das für mich nicht Investition, sondern Spekulation. Und die muss man nicht über Mieten refinanzieren.

Otto: Als ich angefangen habe, wurden Zinshäuser um die zehnfachen Jahresmieteinnahmen verkauft, also mit zehn Prozent Rendite. Heute sind wir innerhalb des Gürtels bei vier Prozent, das ist eine drastische Preissteigerung. Zugleich natürlich eine Verminderung der Rendite. Eine vernünftige Kapitalverzinsung muss man zulassen. Bei einem Haus ist ein faires Äquivalent drei bis vier Prozent.

Rosifka: Aber wovon? Drei Prozent von einem Kaufpreis, der sich spekulativ bildet - dieses Argument kann ich nicht akzeptieren. Bei den Gemeinnützigen refinanziert man die Errichtungskosten. In einem ausfinanzierten Haus liegt die Miete bei 3,29 Euro, inklusive der Erhaltungskomponente.

Otto: Eine Genossenschaft, die Subventionen dafür bekommt, dass sie leistbaren Wohnraum schafft, kann man nicht vergleichen mit einem Wirtschaftsgut Zinshaus, bei dem à la longue ohne fremde Hilfe die Einnahmen die Ausgaben übertreffen müssen.

Rosifka: Ein fairer Mietzins sollte nicht Spekulation abbilden und auch nicht zufällige Dinge wie extreme Nachfrage etc. Wenn man ein Haus um 1,6 Millionen Euro kauft, bringt es vielleicht keine gute Rendite mehr. Wenn man es um 1,3 Millionen kauft, aber schon. Und der Ruf nach Aufhebung oder höheren Obergrenzen wird ja vor allem von denen erhoben, die ihre Häuser verkaufen. Die wollen auch mit dem Verkauf noch eine ordentliche Rendite machen. Und das sollte meiner Meinung nach nicht der Fall sein. Wenn wir klare Mietzinsbegrenzungen hätten, würde man damit auch die Kaufpreise eindämmen können. Doch der jetzige Hype führt nur dazu, dass die Preise weiter in die Höhe gehen. Ich glaube, dass sich die Gesellschaft nicht leisten kann, dass durch eine Mangelsituation ein Mangel an einem lebensnotwendigen Gut entsteht, und dieses damit unleistbar wird. Es steht einer Gesellschaft zu, hier ordnend einzugreifen. (DER STANDARD, 16.11.2013)