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Ex-ÖFB-Keeper Michal Gspurning steht bei den Seattle Sounders, dem absoluten Zusehermagneten der MLS, seit zwei Saisonen im Tor.

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68.000 Zuseher kamen zum Nordwest-Derby Seattle gegen Portland.

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In der Regular Season war Ibrahim Sekagya bei den New York Red Bulls im besten Team. Im Playoff-Viertelfinale flog es gegen Wild Card-Team Houston Dynamo allerdings direkt wieder raus.

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Chris Schuler und Real Salt Lake sind nach dem 4:2 zuhause gegen Portland auf einem guten Weg ins MLS-Finale.

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Am Dienstag findet in Wien das freundschaftliche Ländermatch zwischen Österreich und den USA statt. Viele Fans der Gäste werden wohl mit mehr Spannung das kommende Wochenende herbeisehnen. Da steigen in der Major League Soccer nämlich die Rückspiele um die Conference-Championships. Die Sieger spielen am 7. Dezember im Finale der Meisterschaft, das dem Modus nach eine Art Super Bowl des Fußballs darstellt. Ja, es ist immer noch ein bisschen anders am nordamerikanischen Kontinent, als man das in Europa gewohnt ist.

Vorbei sind aber die skurrilen Zeiten mit haarsträubenden Innovationen wie Eishockey-artigen Penalty-Shootouts. Real Salt Lake oder die Portland Timbers (Hinspiel 4:2) und Houston oder Sporting Kansas City (0:0) werden im Finale um die begehrteste Trophäe im kanadischen und US-Fußball kämpfen. Damit geht die Saison einer Liga zu Ende, die immer mehr internationale Beachtung erobert. 

Fußball ist in den USA nicht König, aber im Mainstream durchaus angekommen. "In den meisten Kulturen gibt es zwei, manchmal drei dominante Sportarten - in den Vereinigen Staaten gibt es zwölf", sagt Rich Luker, der Umfrageleiter des Sportsenders ESPN. Er geht davon aus, dass sich das Interesse an der MLS in naher Zukunft vervierfachen könnte. Schon 1994 spielte in 30 Prozent aller Haushalte irgendjemand Fußball. 

Sport wird kontinuierlich populärer

Kulturelle Einflüsse durch Zuwanderer und mehr TV-Kontakt mit internationalem Fußball sind einige Gründe dafür, dass der Status als Sport für Kinder und Frauen aufweicht. Lionel Messi gelang es gerade als erstem Fußballer in die Auswahl der zehn populärsten US-Sportler zu stoßen. Fußball ist der viertpopulärste Sport, Zweiter bei Amerikanern unter 24, Erster bei den rund 50 Millionen Hispanics im Land. Sieben Prozent der Amerikaner bezeichnen sich als MLS-Fans, im Jahr 2003 waren es noch weniger als drei.

Österreichs Beitrag zur aufstrebenden Liga in den Staaten ist Michael Gspurning. Der Torhüter steht seit zwei Saisonen in den Diensten der Seattle Sounders, für die 2013 im Viertelfinale Richtung MLS-Cup Schluss war. Der Schritt nach Nordamerika war für eine Teamkarriere Gift. Das wusste der Keeper immer, erzählt er  derStandard.at: "Das Handicap der langen Reise ist einfach zu groß."

Interesse an Liga wächst - sie selbst auch

Dafür gilt er als einer der besten Torhüter in der MLS und Publikumsliebling in Seattle. Das sei eine "schöne Bestätigung meiner täglichen Arbeit". Seit 1996 - also zwei Jahre nach der Weltmeisterschaft in den USA und als nachhaltig angelegte Folge davon - wird in der MLS gespielt. 18 Saisonen, so lange konnte sich vorher noch keine Profifußball-Liga halten. Und die MLS entwickelt sich richtig gut, meint Gspurning. Das spricht sich herum: "Viele Spieler erkundigen sich bei mir über den Schritt nach Amerika. Auch Nationalspieler, die noch keine 30 sind."

Die MLS hatte zehn Gründungsmitglieder, mittlerweile wird sie von 19 Teams ausgespielt. Bis spätestens 2020 sollen es 24 Mannschaften sein. David Beckham will als Klubchef in Miami den brachliegenden Südosten des Landes für den Fußball gewinnen. Mit Miami hat er sich kein einfaches Pflaster ausgesucht. Ein 1997 gegründetes Team hielt gerade einmal vier Jahre durch, bevor es aus Desinteresse von Fans und Wirtschaft die Pforten wieder dicht machte.

Möglicherweise wird in Florida aber auch gleich ein Derby geboren, denn mit Orlando City steht schon 2015 ein weiterer Anwärter auf einen Ligaplatz in den Startlöchern. Die Bestätigung soll unmittelbar bevor stehen. In New York entsteht unterdessen ein von Manchester City und dem Baseballklub New York Yankees unterstütztes zweites Team neben jenem von Red Bull. Damit gäbe es neben Los Angeles (CD Chivas, LA Galaxy) eine zweite Stadt mit zwei Teams.

Beckham denkt, dass der Fußball irgendwann die US-Hauptsportarten in der Popularitätswertung herausfordern kann. Vom Umsatz der dominierenden American-Football-Liga NFL ist man aber noch meilenweit entfernt.

 

 

Planwirtschaft

Die MLS wird bei ihrer Aufholjagd trotzdem hochprofessionell geführt und vermarktet. Alle Teams gehören der Liga und werden als Franchise vergeben. Anfangs konnte die MLS ihre Lizenzen kaum verschenken, mittlerweile werden bis zu neunstellige Dollar-Beträge dafür gezahlt. Einen sportlichen Auf- oder Abstieg in die darunterliegende North American Soccer League (wo mit Günther Kronsteiner ein Österreicher Trainer von Fort Lauterdale ist) gibt es nicht. Für viele europäische Fans ist das natürlich ein Horrorszenario. "Um ehrlich zu sein, bin ich da voll auf Seiten der Fans", sagt Gspurning.

Das Zuseherinteresse steigt, langsam entwickeln sich Traditionen. Die Attraktivität seiner Sounders (Zuschauerschnitt: 44.000) sei dadurch zu erklären, dass sie eine Neugründung eines Teams aus den 1980ern sind. In der Nordwestregion, wo Gspurning spielt, locken Lokalderbies zwischen den Fußballhochburgen Seattle und Portland fast 70.000 Besucher an. Durchschnittlich 19.000 Menschen besuchen die Spiele in den mittlerweile fast überall ausschließlich für Fußball reservierten Stadien. Damit wäre die Liga auch in Europa unter den Top 10 - etwa auf einem Level von Eredivisie und Ligue 1. Und selbst in den USA kommen nur zum Foot- und Baseball mehr Menschen - wobei Eishockey und Basketball als Hallensportarten natürlich limitierter sind.

 

 

Qualität hinkt nach

Gspurning meint: "Das nächste wichtige Ziel wird sein, die TV-Zeiten zu erweitern." Am Platz allerdings hinkt die Qualität der Vermarktung noch nach. Seit 2000 hat kein US-Team die CONCACAF Champions League bzw. deren Vorgänger gewonnen. Der Bewerb ist fest in mexikanischer Hand, obwohl sich gleich viele US-Teams dafür qualifizieren (je vier). Den sportlichen Gap zu Europa bemerken die Amerikaner durchaus. Die Fernseh-Quoten schwächeln, das Nationalteam, aber auch ausländischer Fußball werden öfter eingeschaltet.

Es gibt einige Baustellen, trotzdem will die Liga in den nächsten zehn Jahren immerhin zu den besten der Welt gehören. "Ob das mit der Konkurrenz von Football, Baseball und Basketball gelingt, darf mit Recht bezweifelt werden, aber es ist nicht unmöglich. Das Potential ist absolut da und vor allem die Jugend entdeckt immer mehr den Soccer", sagt Gspurning.

Gehaltsgrenzen

Die Etablierungsphase für die Liga ist vorbei. Ein Thema ist die Gehaltsobergrenze (Salary Cap). Die gibt es zwar in allen US-Sportarten, im Fußball ist sie aber noch besonders niedrig angesetzt. Umgerechnet 2,2 Millionen Euro dürfen jährlich für den Kader ausgegeben werden. Erst seit der Verpflichtung von Beckham (2007) darf man bis zu drei Starspielern (Designated Players) auch etwas mehr zahlen.

Finanzielle Spitzenreiter wie L.A. Galaxy haben deshalb reale Kaderkosten von etwa 7 Millionen Euro. Das entspricht einem englischen Zweitligisten oder österreichischen Bundesliga-Mittelständler. Zwei Drittel davon gehen an Landon Donovan und Robbie Keane. Starspieler wie diese, Thierry Henry, Tim Cahill (beide New York Red Bulls) oder Clint Dempsey (Seattle Sounders) verdienen in den USA also gewohntermaßen fantastisch. Die meisten Spieler liegen aber in geradezu normalsterblichen Gehaltsdimensionen. Vier von zehn verdienen weniger als 36.000 Euro im Jahr - was nicht deutlich über dem mittleren Einkommen des Landes liegt. Es gibt keine Fußballer-Mittelschicht in der MLS.

Diese interne Ungleichheit ist nicht leistungsfördernd. Stars werden durch die Regulierungen als umso wertvoller betrachtet. Sie werden besonders geschützt, im Training von Mitspielern kaum gefordert und haben taktisch am Platz oft einen Mitspieler als eine Art Abräumer und Schutzengel rund um sich. Ende 2014 laufen die aktuellen Finanzregelungen aus. Danach werden die Limits wohl höher angesetzt werden.

Hemmschuh für die attraktiven Vereine

"Das aktuelle System richtet sich nach den finanziellen Möglichkeiten der Schwächsten", sagt Gspurning verständnisvoll. Das treffe aber große Klubs wie seinen bei Gehaltsverhandlungen schwer: "Man bekommt oft nicht, was man verdienen würde, sondern was im Salary Cap noch vorhanden ist. Das trifft vor allem die jungen Collegespieler."

Dafür gebe es eine Zahlungssicherheit, die nicht überall in Europa gegeben ist. Gspurning hätte in Griechenland bei Panathinaikos mehr verdienen können, war "aber nicht sicher, ob ich das ganze Geld sehen würde". Sein Ex-Klub Skoda Xanthi schuldet ihm noch Geld. "Bei den Sounders unterschrieb ich zwar für weniger, aber ich wusste, dass dieses Geld bestimmt kommt". 

Das Wachstum der Liga stellt ebenfalls eine Herausforderung dar. Zehn oder mehr neue Klubs in einem Jahrzehnt bedeuten, dass man etwa 300 zusätzliche Profispieler benötigt. Gspurning findet: "Amerika ist groß genug und es gibt immer mehr Jugendspieler. Die Umstellung von College zur Profiabteilung ist dann aber ein gewaltiger Schritt."

Das Collegesport-Modell scheitert am Fußball

Das Ausbildungssystem hat ein Problem. Wie in anderen Sportarten hängt es mit den Colleges zusammen. Doch während den US-Colleges im Basketball und Football niemand das Wasser reichen kann, ist die Ausbildung im Weltfußball anderswo besser. Viele Spieler kommen über diesen Modus erst Anfang 20 richtig in den Profifußball. "Viel zu spät", findet auch Gspurning. Bis dahin sind diese Talente halbjährlich im College. Für die persönliche Absicherung ist das gut, aber sie verpassen als Sportler bedeutende Entwicklungsjahre auf Höchstniveau. Nur wenige schaffen dann noch eine Weltkarriere. Sounders-Neuzugang Clint Dempsey, der erst mit 21 bei New England Revolution als Profi begann und es noch bis ins Europa League-Finale mit Fulham und ins Team von Tottenham schaffte, ist eine der Ausnahmen.

Die Ziele der MLS sind ehrgeizig, aber es ist noch viel zu tun. Ob Gspurning weiter Teil des Aufstiegs sein wird, ist vorerst noch nicht geklärt. Auch wenn er sich in Seattle sehr wohl fühlt. "Mein Vertrag läuft jetzt aus, der Klub will verlängern, aber auch der Reiz etwas Neues zu probieren ist durchaus vorhanden". Europa, Australien oder Asien, alles könne ein Thema sein. Vielleicht klappt es dann ja doch noch einmal mit dem Team. (Tom Schaffer / @schaffertom, derStandard.at, 14.11.2013)


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