Nicholas Ofczarek (li.) und Fritz Karl sind Polizisten und Täter gleichzeitig, und am Schluss gibt's kein Happy End. "Unter Feinden", Freitag, 20.15 Uhr, Arte.

Foto: Arte/ZDF/Gordon Timpen

Wien - Krimi im Fernsehen, das läuft meistens nach dem gleichen Schema ab: Am Anfang passiert ein Mord, ein Kommissar und/ oder eine Kommissarin erscheinen am Tatort und tappen die verbleibende Zeit im Dunkeln, mit ihnen die Zuschauer. Vielleicht passiert noch ein weiterer Mord, irgendwann aber kommt ganz bestimmt die überraschende Wende, das Aha-Erlebnis, der Showdown mit mehr oder weniger spektakulärer Verfolgungsjagd. Und ganz gleich, wie verzwickt die Geschichte auch war: Am Ende wird der Täter gefasst.

Süchtiger Polizist

In "Unter Feinden", Freitag, 20.15 Uhr, Arte, ist es etwas anders. Kein Mord steht am Beginn des Krimis von Lars Becker, sondern ein Unfall, und den hat ein Polizist selbst verschuldet. Der Drogenentzug macht dem Hüter von Recht und Ordnung schwer zu schaffen, so schwer, dass er eine Gruppe Dealer um Stoff anschnorrt. Als die jungen Kapuzenträger sich wenig erfreut zeigen, steigen der Polizist und sein Kollege aufs Gas, so vehement, dass es zur Katastrophe führt: Nach der Amokfahrt liegt das Unfallopfer im Koma. Blede G'schicht! Das Beste kommt aber noch: Natürlich müssen die beiden Polizisten gegen sich selbst ermitteln und manövrieren sich immer tiefer in den Schlamassel. Was passieren kann? "Mit einem Fuß in der Frührente."

Fritz Karl und Nicholas Ofczarek spielen in Unter Feinden das desillusionierteste Ermittlerpaar seit Starsky & Hutch, freilich ohne deren Humor und Schlagfertigkeit. Die wären auch unangebracht. Der eine scheppert wie ein Kluppensackel und wachelt mit der Dienstwaffe um sich. Der andere schleust das Opfer der Wahnsinnstat eiskalt in ein Krankenhaus ein: "Wenn das auffliegt, sind wir beide weg vom Fenster."

Lars Becker stellt das Genre auf den Kopf und schafft eine Atmosphäre permanenter Aufgeladenheit, ausgelöst durch die unlenkbaren Exekutionskräfte. Die Vorlage lieferte der Jurist und Schriftsteller Georg Martin Oswald. Becker, bekannt für Kanak Attack und als Regisseur mehrerer Tatorte entwickelt in Unter Feinden einen verschachtelten Fall: da die Sucht, dort ein verdächtiger Kriegsverbrecher, der einsitzt und ordentlich hineinpfuscht. Anders als zuletzt Dominik Graf, der im Tatort ebenfalls ästhetisches und erzählerisches Neuland betreten wollte, gelingt Becker das schnörkellosere Stück Krimiware.

Während Erich Kessler (Karl) schon lange für den Dienst an der Gerechtigkeit verloren ist, lebt sein Kollege Mario Driller (Ofczarek) zumindest noch die Idee vom anständigen Bullen mit funktionierenden Beziehungen. Doch just seine Lebensgefährtin (Birgit Minichmayer), Krankenschwester des Unfallopfers, kommt den beiden auf die Schliche.

49 Stunden

Kessler soll eine Zeugin dazu bringen, über einen gesuchten libyschen Kriegsverbrecher nicht auszusagen. Wenn das auffliegt, droht mehr als Frühpension. Und so ist es denn auch: 49 Stunden bleiben, um die Zeugin aufzutreiben. Irgendwann scheint es keinen Ausweg mehr zu geben, Kessler und Driller schützen nur noch sich selbst. Wer sich auf solche Gesetzeshüter verlassen muss, ist verlassen.

Weil das Anarchische der Kriminalität im Massenmedium Fernsehen nicht zum Ausdruck kommen darf, muss der Mörder stets dingfest gemacht werden. Der ORF ist trotz starken Österreicher-Anteils nicht unter den Koproduzenten. ZDF und Arte hätten die Kosten des Films unter sich geteilt, heißt es auf Anfrage. Ob der Gebührenfunk den Film kauft und im ORF-Programm zeigt, werde noch geprüft.

Lars Becker bestätigte das indirekt in einem STANDARD-Interview: "Wenn nicht, meckern die Sender." Trivialkultur ist ein Spiel des Schreckens, die Zuschauer haben sich nach dem Krimikonsum den Schlaf der Gerechten verdient. Nur ja nicht aufgewühlt sein. Sie mögen gemeckert haben, aber Becker hat seine Geschichte durchgebracht. Unterlegen ist er vermutlich bei der Frage der Filmmusik, die penetrant vor sich hin dudelt. Am reportagehaften Stil von großen, unerreichten Vorbildern wie "The Wire" scheitert" Unter Feinden" fast zwangsläufig. Der Schluss ist so unlogisch, dass es wehtut und entspricht keineswegs der einwandfreien Geschichte davor. Immerhin: Kein Happy End, aber eines, bei dem nicht nur Nicholas Ofczarek schwindlig wird. (Doris Priesching, DER STANDARD, 14.11.2013)