Chikova: "Männer halten sich für gebildeter."

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Schobesberger: "Eigenverantwortung gehört gestärkt."

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Haben Kundinnen andere Bedürfnisse, wenn es um Finanzprodukte geht als männliche? Dieser Frage ist die Unternehmungsberatung A. T. Kearney mit einer Studie in fünf europäischen Ländern machgegangen. Je tausend Interviews wurden in Deutschland, Spanien, Italien, Großbritannien und Frankreich durchgeführt. Dabei hat sich gezeigt: Das Alter und das Land spielen bei dieser Frage eine wesentliche Rolle:

  • Alter Bis zum Alter von 30 Jahren zeigt sich kein wesentlicher Unterschied in der Nutzung von Finanzprodukten. "Ab dann geht die Schere aber auf", sagt Daniela Chikova, Principal bei A. T. Kearney und Mitautorin der Studie. Das habe immer noch damit zu tun, dass es durch eine Eheschließung oft der Mann ist, der sich fortan um die Finanzen des Haushalts kümmert. "Vor allem in den südeuropäischen Ländern ist das zu beobachten", sagt Chikova. Beatrice Schobesberger kennt dieses Phänomen aus ihrem Berufsalltag. "Wir versuchen daher, bei Beratungen immer das Paar an den Tisch zu bekommen", sagt die Leiterin des Raiffeisen Private Banking Looshaus. Dass sich tendenziell die Männer um die Finanzen kümmern, räche sich oft im fortgeschrittenen Alter. "Lässt sich ein Paar scheiden oder stirbt der Partner, stehen Frauen oft hilflos vor den finanziellen Angelegenheiten", sagt Schobesberger.
  • Land
    Der Unterschied bei Finanzprodukten ist laut Studie in Südeuropa größer. "In Italien und Spanien ist es ganz klar der Mann, der sich um die Finanzen kümmert", sagt Chikova. In Großbritannien sei das Verständnis für die finanzielle Eigenverantwortung bei Frauen viel größer. "Es müsste schon in den Schulen angesetzt werden, um Frauen zu mehr finanzieller Eigenverantwortung zu erziehen", sagt Schobesberger.
  • Produkte
    Frauen nehmen sich mehr Zeit, die Produkte zu verstehen, und richten ihre Anlageentscheidung häufiger an ethischen oder nachhaltigen Kriterien aus und seien tendenziell vorsichtiger. Sie wollten zudem eher in Themen oder Branchen investieren, die sie kennen und einordnen können. Schobesberger: "Männer kommen öfters mit Ideen, weil sie beispielsweise etwas über Produkte gelesen haben, für sie zählt die Rendite mehr. Für Frauen ist das Verständnis wichtiger."
  • Risiko
    Frauen investieren deutlich weniger in Investmentprodukte, also Aktien, Anleihen oder Fonds, als Männer. Während jeder vierte Mann in solche Papiere investiert, legt nur jede sechste Frau in Europa Geld in diese Papiere. "Das liegt daran, dass Männer sich in Finanzdingen häufig für gebildeter halten und der Rendite wegen eher bereit sind, Risiken einzugehen", sagt Chikova. "Frauen sind bescheidener, ihr Wissen muss erst aufgezeigt oder aufgebaut werden", sagt Schobesberger. Haben sich Frauen aber für eine Veranlagung entschieden, seien sie die loyaleren Kundinnen.

Im Kampf um Marktanteile sollten sich Banken und Versicherer daher stärker auf Frauen ausrichten, rät Chikova. Die Finanzkraft der Frauen sollte auch im Hinblick auf die Altersvorsorge besser genutzt werden. (Bettina Pfluger, DER STANDARD, 14.11.2013)