Wo geht es hier nach "Supererde"? Martin Puntigam kreuzt als Kabarettist überschäumenden Wissensdurst mit der Kunst schrulliger Weltbetrachtung.

Foto: Ingo Pertramer

Wien - Das Plakat seines neuen Kabarettprogramms Supererde sorgte schon im Vorhinein für eine kleine Erregung, weil eine Silvesterrakete im Popo vor dem Wandspruch "Fick die P...ei" nicht allerorten Heiterkeit auslöste. Diese unerhörte Verbindung von Ordnungshütern (wenn man denn das herauslesen möchte) und derbem Sexualakt spielte in Martin Puntigams Solo eine unscheinbare Rolle. Die Botschaft aber, die der bekannte Kabarettist und MC der Science Busters bei der gelungenen Uraufführung im Wiener Stadtsaal übermittelte, weist in eine ähnliche Richtung: Die Welt, so wie sie ist, geht ihm gehörig am Allerwertesten. Der vermutlich einzige Ausweg kann allein durch die Errichtung einer neuen Erde, der nur vier Lichtjahre entfernten Supererde, gegangen werden.

Ein Stofftier namens Eli

Wir befinden uns in einem Fernsehstudio für Kindersendungen bei der Probe zu einer neuen Show. Puntigam betritt als Astronaut die Bühne und hüpft zu der sich sofort im Ohr festsetzenden Kinderliedmelodie "Supererde, wir haben dich entdeckt". Er telefoniert mit seinem Sohn über die Hochzeit der lesbischen Tante. Mit dem hässlichen Stofftier Eli, das die Form eines Delfins hat, redet er über die Aufblähung der Sonne in ferner Zukunft und über erdähnliche Planeten in der Weite der Galaxie. Das erste Mal gefällt ihm die eigene Sendung.

In der Regie von Hosea Ratschiller ist Puntigams Erzähler-Ich ein Kinderfernsehmoderator, aber im Grunde ein vom Leben und der Welt bitter enttäuschter Mann, der kurz davor ist, seinen Sohn im Sorgerechtsstreit zu verlieren. Er hat in der Wohnung seiner von ihm getrennt lebenden Frau ein Kamerasystem installiert, um den Sohnemann beim Aufwachsen zu beobachten. Aber nicht jeder kann die NSA sein. Die Themen wechseln schnell. Nirgends werde außer beim Musikantenstadl so viel gekokst wie beim Kinderfernsehen. Der Alleinunterhalter berichtet in grellgrünem hautengem Shirt von seinem Drogenabsturz und vom Sozialdienst in einem Pfarrheim mit Asylwerbern. Weil die Reichen wissen, wo es langgeht, hält sich der für die Reise nach Supererde Auserwählte an seinen Freund Paul. Die Utopie ist möglich.

Der schrullige Kabarettist Puntigam hat eine große Begabung für das Erzählen. Kurzweilig, amüsant und mit vielen, teils subtilen und immer schlauen Anspielungen auf unsere tägliche Umwelt, entwickelt er geschickt parallele Handlungsstränge und nimmt das Publikum mit auf eine wilde Assoziationsachterbahn durch irdische Zu- und Missstände und interstellare Räume. Wie nebenbei verhandelt er aktuelle und zeitlose Tages- und Gesellschaftsthemen, weit entfernt von Schenkelklopfern. Es mangelt weder an Sprachwitz noch an der Entlarvung vermeintlich politisch korrekter Redeweise; große, innige Lacher fehlten leider.

Der Anspruch, Klugheit mit Witz zu verbinden, entfaltet sich nach der Pause, wenn Puntigam als bunter Schmetterling (Kostüme: Martina Salner) über Kunstfleischburger und lebenslange Liebe sinniert; und über die Möglichkeit, jeden Körper auf der Erde zurücklassen und den DNA-Baukasten eins zu eins auf Supererde wieder zusammenbauen zu können. Das Problem der Mitnahme des Bewusstseins müsste man noch lösen. Am Ende steckt die Rakete dort, wo sie vermutlich hingehört, um schnellstmöglich eine bessere Welt zu erreichen. Großer Applaus. (Sebastian Gilli, DER STANDARD, 14.11.2013)