David Loschelder, Sozialpsychologe an der Universität des Saarlandes.

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"Präzise, aber nicht zu präzise" sollte die Forderung sein.

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Ein Fahrrad in Frankreich war der Impulsgeber für David Loschelder. Der deutsche Sozialpsychologe, damals für Forschungszwecke an der Insead Business School, wollte für vier Wochen ein Rad mieten. Der veranschlagte Preis: 33 Euro. "Ich war so irritiert, dass ich gesagt habe: 'Okay, ich zahle es' und bin gar nicht auf die Idee gekommen, den Preis runterzuhandeln." Der Grund war die exakte Zahl, sagt Loschelder heute, sie löste das Gefühl aus, der Preis sei durchdacht und vollkommen gerechtfertigt.

Feilschen auf Online-Plattform

Um die Erfahrung wissenschaftlich zu untermauern, konzipierte er zwei Experimente. Das erste drehte sich um Verkaufsabsichten auf einer Online-Plattform. Kontaktiert wurden Verkäufer, die irgendeinen Gegenstand zum Preis von 200 Euro inseriert hatten: "Zum Beispiel einen Winterreifen, eine Spielkonsole oder ein Fahrrad", erläutert der Wissenschafter im Gespräch mit derStandard.at. Variiert wurden die Gegenangebote: 120, 121,37 und 122 Euro. "Je präziser der Preis war, desto weniger mussten wir letztendlich zahlen", bilanziert Loschelder. Bei 122 statt 120 Euro wurde es um zehn Euro günstiger, bei 121,37 Euro fielen weitere zehn Euro weg. Im Vergleich zum runden Preis von 120 Euro blieb eine Ersparnis von 20 Euro.

Höherer Ertrag bei niedrigerem Preis

Schauplatz der zweiten Studie war ein Antiquitätenladen. Der Inhaber stellte einen Jugendstilsekretär aus dem Jahr 1910 zur Verfügung, dieser sollte an Kunden verkauft werden. Getauscht wurde lediglich das Preisschild, das auf dem Sekretär stand. Getestet wurden die Kunden mit den vier Varianten 885, 900, 1185 oder 1200 Euro. Loschelder spricht von zwei Effekten: "Je höher ich mit dem Preis einsteige, desto höher ist auch der endgültige Verkaufspreis, den ich erziele." Es lohnt sich, mit einem ambitionierten Preis zu beginnen. Der zweite Effekt: Der "krumme" Preis bringt mehr Bares. Die veranschlagten 1185 Euro etwa wurden im Schnitt auf 1046 Euro heruntergehandelt, die 1.200 Euro auf 930 Euro. 15 Euro weniger zu verlangen führt also zu einem Gewinn von 116 Euro.

44.850 statt 45.000 Euro

Die Ergebnisse basieren auf der Auswertung von 120 Käufern, mit denen online gefeilscht wurde, und 80 Kunden, die im Antiquitätenladen den Jugendstilsekretär erwerben wollten. Loschelder vermutet, dass sich die Ergebnisse auf Verhandlungen von Einstiegsgehältern umlegen lassen, zwar nicht 1:1, aber mit ähnlichen Implikationen. Seine Empfehlung: Jonglieren mit krummen Zahlen. In eine Verhandlung gehen sollten Mitarbeiter nicht mit der Forderung nach einem Jahresgehalt von beispielsweise 45.000 Euro, sondern mit 44.850. Warum? "Der Arbeitgeber wird Sie vermutlich mit höherer Expertise wahrnehmen oder das Gefühl haben, dass Sie sich mehr Gedanken gemacht haben, welches Gehalt für diese Position angemessen ist."

Bei einer Summe von 45.000 Euro werde sich der Arbeitgeber zudem eher in Tausenderschritten bewegen. Das Gegenangebot könnte etwa 40.000 lauten, argumentiert Loschelder: "Sage ich aber 44.850 Euro, ist die Verhandlungseinheit möglicherweise 50 oder 100." Als Gegenangebot könnte beispielsweise die Zahl 43.500 formuliert werden.

"Präzise, aber nicht zu präzise"

Bei der Höhe des Salärs Cent-genau zu agieren sei allerdings kontraproduktiv. "Bei 44.756,23 Euro wird das Gegenüber vermutlich irritiert sein und das Gefühl haben, dass der Preis überhaupt nicht in den Kontext passt." Auf 50 oder 100 Euro genau sollte die Forderung lauten. "Präzise, aber nicht zu präzise", sagt Loschelder, der die psychologischen Mechanismen bei Gehaltsverhandlungen gerade in einer Folgestudie untersucht.

Bis zu 15 Prozent über realistischem Gehalt

Utopisch hohe Summen zu deponieren, davon rät er ab: "Ein unverschämtes erstes Angebot kann auch verheerend sein." Das Gegenüber könnte vergrault werden und den Verhandlungstisch verlassen, das hätten andere Studien gezeigt. Sein Ratschlag: Arbeitnehmer sollten je nach Branche und Erfahrung zwischen acht und 15 Prozent über dem einsteigen, was sie für realistisch halten. Und logisch: Der Spielraum beim Gehalt hänge auch immer von Alter und Qualifikation ab: "Ein frischer Uni-Absolvent sollte natürlich nicht so weit darüber einsteigen wie jemand mit zehn oder 15 Jahren Berufserfahrung." (Oliver Mark, derStandard.at, 13.11.2013)