Der Kryostat im Labor von Gerhard Kirchmair: Hier werden die Supraleiter gekühlt

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Der Spanier Oriol Romero-Isart.

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Jung-Professor: der Tiroler Gerhard Kirchmair.

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Wenn Naturwissenschafter übersiedeln, dann ist das mit einigem Aufwand verbunden: Der Experimentalphysiker Florian Schreck zum Beispiel verlässt Anfang Dezember das Innsbrucker Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Akademie der Wissenschaften, um eine Professur an der Universität Amsterdam anzutreten. Er nimmt dabei nicht nur sein Team mit, er übersiedelt auch den komplexen Versuchsaufbau in seinem Labor, mit dem ihm 2009 die weltweit erste Bose-Einstein-Kondensation von Strontium gelang. Das war damals ein vielbeachteter Durchbruch in der Erforschung von Quantenphänomenen.

So bedauerlich Brain Drain sein mag: Eigentlich können sich die Quantenphysiker des IQOQI und der Uni Innsbruck erst jetzt wieder um große Fördertöpfe bemühen. Zuletzt war man in diesem Zusammenhang zurückhaltend. Alle Laborplätze waren besetzt. Rudolf Grimm, einer der wissenschaftlichen Direktoren des IQOQI: "Im Fall einer Förderzusage hätten wir nicht gewusst, wo wir das Experiment aufbauen sollen." Daher konnte man auch Nachwuchswissenschaftern nicht guten Gewissens raten, sich um Preise wie den ERC Starting Grant oder den österreichischen Start-Preis zu bewerben. Letzterer wird alljährlich von Wissenschaftsministerium und Wissenschaftsfonds FWF an mehrere Jungwissenschafter verschiedener Disziplinen vergeben. Zwischen 2009 und 2011 wurde er auch nach Innsbruck geholt.

Das schwerwiegende Platzproblem will man seit mehreren Jahren mit einem Haus der Physik lösen. Es soll am Technik-Campus der Uni Innsbruck entstehen, zwischen 50 und 60 Millionen Euro kosten und allen Innsbrucker Physikern der Uni und der Österreichischer Akademie der Wissenschaften Raum geben. Grimm: "Wenn schon, dann eine große Lösung." Doch derzeit ist man vom Baubeginn bei Projekt Haus der Physik weit entfernt, obwohl es eine Finanzierungszusage vom Land gibt. Allein kann es die Finanzierung freilich nicht stemmen. Derzeit ist das Projekt aber im Bauleitplan des Bundes nur an hinterer Stelle in der Prioritätenliste öffentlich finanzierter Bauten in Tirol gereiht.

Vielleicht brauchen die Quantenphysiker einfach noch ein wenig Geduld. Im Falle der Junior-Professuren hat sich das ausgezahlt: Die Idee, diese zu installieren, ist so alt wie das 2003 gegründete IQOQI selbst. Einen Platz für einen Junior-Experimentalphysiker hat man deshalb von Anfang an reserviert. Ihn bezieht nun, da die Professur endlich für fünf Jahre finanziert ist, Gerhard Kirchmair aus Tirol, Schüler des Experimentalphysikers Rainer Blatt, neben Grimm einer der IQOQI-Direktoren. Kirchmair (32) und sein Team werden kleinste Einheiten der Quanteninformationsverarbeitung selbst bauen. Dazu gestalten sie supraleitende Schaltkreise so, dass sie sich als Quantenbits einsetzen lassen. Im Gegensatz zu anderen Labors in Innsbruck verwendet Kirchmair zur Kühlung dieser Schaltkreise keinen Laser, sondern einen Kryostat, einen futuristisch anmutenden Laborkühlschrank mit mehreren Ebenen. Der Tiroler hat schon früh seine "Bastelleidenschaft" entdeckt und die HTL für Elektrotechnik besucht. Noch heute sagt er über seine Arbeit: "Lego für Erwachsene."

Kirchmairs Pendant in der Theorie ist der Katalane Oriol Romero-Isart, Jahrgang 1981. Er wird untersuchen, inwiefern das zur Kontrolle der Quantensysteme verwendete Laserlicht durch Supraleiter und Magnetfelder ersetzt werden könnte. Die Streuung von Lichtteilchen durch Laser, ein Störfaktor bei Experimenten, ließe sich so vermeiden. Romero-Isart braucht als Theoretiker kein Labor, sondern nur Büroräume. Er hat aber wie Kirchmair eine befristete Stelle. Ergebnisse müssen beide in fünf Jahren nachweisen. Dann werden sie von einer Jury evaluiert und können sich - bei Erfolg - in einem offenen Verfahren um eine Professur an der Uni Innsbruck bewerben.

Gerade sind zwei Jungwissenschafter nach Innsbruck gekommen, da könnte eine bereits länger in Tirol aktive Physikerin wieder abwandern. Die Italienerin Francesca Ferlaino (35) erhält eine Humboldt-Professur in Deutschland. Eine der höchsten Ehren, die das Nachbarland an ausländische Wissenschafter vergibt. Ob sie das damit verbundene Berufungsangebot an die Uni Ulm annimmt, ist noch nicht sicher. "Wir arbeiten an einer Lösung, um Francesca Ferlaino zu halten", heißt es am IQOQI. Geldmittel werden damit wohl verbunden sein müssen, denn die Humboldt-Professur ist mit fünf Millionen Euro dotiert. (Peter Illetschko, DER STANDARD, 13.11.2013)