Karl Tamussino ist stellvertretender Vorstand der Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Graz.

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Standard: In der Onkologie ist Immuntherapie das aktuelle Thema, obwohl es seit mehr als sechs Jahren eine Impfung gegen die meisten Formen des Gebärmutterhalskrebses gibt. Das ist doch eigenartig?

Karl Tamussino: Nein, da muss man differenzieren. Die existierenden Impfungen schützen vor der Ansteckung mit einem Virus, dem humanen Papillomavirus (HPV), der den Großteil der Gebärmutterhalstumore verursacht. Das ist eine prophylaktische Impfung wie gegen Masern, Mumps, Röteln und Kinderlähmung. Wenn man bereits infiziert ist, nützen diese Impfungen nicht mehr. Es handelt es sich also nicht um eine Immuntherapie, wie sie derzeit in der Onkologie angestrebt wird. Dennoch ist die vorbeugende Impfung ein Meilenstein.

Standard: Aber wenn es bereits einen Schutz vor der Ansteckung gibt, müsste es doch einfacher sein, auf ähnliche Art das Wachsen des Tumors zu verhindern?

Tamussino: Man muss bedenken, dass das HPV-Virus die Zellen der Gebärmutter entarten lässt. Viren bauen ihr Erbgut in die Zellen der Gebärmutter ein. Derzeit laufen in den USA frühe klinische Studien, in denen versucht wird, existierende Infektionen oder Tumore durch die Stimulierung des Abwehrsystems zu zerstören. Da ist man noch in der Anfangsphase.

Standard: Warum ist das schwieriger, als eine Infektion mit den Papillomaviren zu verhindern?

Tamussino: Unter anderem weil die Viren sich dann noch nicht eingenistet haben. Wenn sich eine Frau mit HPV infiziert, liegt er zunächst an der Oberfläche der Schleimhäute und arbeitet sich dann tiefer in die Hautschichten hinein. Daher ist es einfach, die Viren möglichst vor einer Infektion zu bekämpfen. Aus diesem Grund wird die Impfung auch hauptsächlich für Jugendliche (vor allem Mädchen) vor dem ersten Geschlechtsverkehr empfohlen.

Standard: Richtig. Fast überall in Europa, selbst in Ruanda. Österreich ist das letzte EU-Land, das die Kosten nicht übernimmt.

Tamussino: Ab März wird die Impfung für Schülerinnen und Schüler der vierte Klasse übernommen. Im internationalen Vergleich ist Österreich spät dran. Dafür aber sind wir aber auch sehr fortschrittlich. Denn hier sollen auch die Buben geimpft werden. Männer sind die Mittelsmänner des Virus - ohne dass sie es merken. Indem man sie impft, nimmt man dem Virus seinen Überträger.

Standard: Wie lange, glauben Sie, wird es dauern, bis es auch eine Immuntherapie gegen Gebärmutterhalskrebs gibt?

Tamussino: Da sprechen wir sicherlich noch von Jahren. (DER STANDARD, 12.11.2013)