"Mister Kanister" hat man Romuald Hazoumè genannt, nach seinem bevorzugten Material. In "Rare Finerie" befasst er sich mit dem Schmuggel von Benzin in Benin.

Foto: Romuald Hazoumè

Graz - "Wir bitten um Hilfe für die Weißen, weil sie so arm sind", erklärt ein Spendensammler in den Straßen einer beninischen Stadt. Ein Angesprochener erkundigt sich ungläubig, ob das ironisch gemeint sei. Ein anderer erklärt, er spende, weil man doch immer jemanden brauche, der "kleiner" sei als man selbst. Ein Dritter befindet, wo jemand in Not sei, dort helfe man selbstverständlich.

Skeptikern, die nachfragen, ob die Weißen denn nicht ohnehin schon reich wären, erklärt der Spendensammler: Ja, die Westler hätten viel, bloß die Liebe fehle ihnen. Selbst wo anfangs mit Empörung reagiert wird, steht am Ende dann oft Einwilligung. Nicht selten ist es eine augenzwinkernde: Manchem Spender ist nicht so ganz klar, was diese im Benzinkanister gesammelte Geld denn genau mit der Liebe zu tun habe.

"Beninische Solidarität mit gefährdeten Westlern", heißt die NGO hinter der Spendenaktion. Ins Leben gerufen wurde sie von dem afrikanischen Künstler Romuald Hazoumè (die Schreibweise Hazoumè statt Hazoumé ist ein Wunsch des Künstlers). Der Name der NGO ist gleichzeitig Untertitel jener Schau des 51-Jährigen, die derzeit im Kunsthaus Graz zu sehen ist: Sechs Installationen hat Hazoumè für seine dritte Arbeit in Graz angefertigt. Die launige Doku über seine NGO ist Teil einer der Installationen.

Die Werke Romuald Hazoumès bestehen aus Koffern, Lebensmitteln, Schmuck, Flaschen, Kübeln, Schrott, Benzinkanistern - aus Gegenständen, die Hazoumè dem täglichen Gebrauch in Benin entnimmt. Manchmal stellt er seinen Arrangements dann noch mediale Spiegelbilder gegenüber.

Benzinkanister sind dabei eine Art Markenzeichen des Künstlers geworden: Aus ihnen fertigte Hazoumè jene "Masken", die ihn einer breiteren Öffentlichkeit bekannt machten. In ihnen trifft sich symbolisch die globale Ökonomie mit den beninischen Naturreligionen. Oft gibt Hazoumè den Kanistern eine Persönlichkeit, indem er sie mit Schmuck oder Armbändern behängt. So etwa in der Installation Rat Singer, einer ganz in Kanistern gehaltenen Nachbildung eines sinkenden Schiffes. Während der Titel auf den letzten Papst anspielt, zitiert Hazoumè gleichzeitig La Bouche du Roi, jene Arbeit, mit der er schon auf der Documenta 12 unter großem Beifall die Flüchtlingsproblematik thematisierte.

Roulette Beninoise macht unterdessen deutlich, warum einem durchaus das Lachen im Hals stecken bleiben kann, wenn man einem pausbäckigen und sonnenbebrillten Benzinkanister in die Augen schaut: Der Benzinschmuggel ist in Benin weit verbreitet und kostet viele junge Afrikaner das Leben. Manchmal blähen die prekären Helden ihre Kanister über Feuer auf, um deren Fassungsvermögen zu erhöhen.

Weniger auf der Seite der bitteren Realität steht eine Liebesgöttin, die von Ritterrüstungen aus dem Grazer Zeughaus umringt ist: Besucher sind eingeladen, ihre "Liebes-Vorhängeschlösser" von der Göttin aufladen zu lassen. Hier versöhnt Hazoumè die beiden Kulturen im magischen Denken.

Die weltanschauliche Grundierung der Grazer Arbeiten wird in einem Gespräch deutlich, das Heinz-Norbert Jocks mit Hazoumè geführt hat und das ebenfalls in Graz zu sehen ist: der Künstler vertritt die Auffassung, dass früher oder später Afrika dem Westen helfen werde - und wendet sozusagen den Begriff "Entwicklungsland" gegen seinen Erfinder.

Der Westen verarmt

Dem Westen, der dazu neigt, jene zu bedauern, die vermeintlich noch nicht so weit sind wie er selbst, diagnostiziert er Verarmung. In Afrika fliege keiner aus der Wohnung, nur weil er seine Miete nicht zahlen könne, und wenn, dann könne er ohne zu Frieren im Freien schlafen, erklärte Hazoumè in einem Ö1-Interview.

Gleichzeitig möchte Hazoumè seinen Landsleuten zu mehr Selbstbewusstsein verhelfen. Er möchte ihnen klarmachen, dass sie sich (auch) selbst helfen können, dass sie ihr kulturelles Erbe nicht unter dem Zwang zur Moderne aufzugeben brauchen. Die Schuld an der Verheerung des Kolonialismus sieht der Künstler dabei durchaus geteilt. (Roman Gerold, DER STANDARD, 12.11.2013)