Der "Mobilitätsleerstand" in Wien liegt nur noch bei rund 30.000 Wohnungen.

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Wolfgang Förster: "Wohnheime als neue Garçonnièren."

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Wohnbauforscher Wolfgang Förster sagt im Gespräch mit Martin Putschögl, warum Wien die kleineren Smart-Wohnungen braucht und er es für den falschen Weg hält, immer mehr Wohnheimprojekte zu bauen.

STANDARD: Haben Sie Hinweise darauf, dass die Wohnfläche pro Person schon wieder zurückgeht?

Förster: Wir haben das zwar nicht flächendeckend erhoben, können es aber indirekt über die Belagszahl eruieren. Und die ist in den letzten fünf Jahren in den inneren Bezirken etwas gestiegen. Auf der vorhandenen Fläche wohnen also mehr Personen. Im Neubau sehen wir anhand der Nachfrage beim Wohnservice, dass es in Richtung kleinerer Wohnungen geht - gezwungenermaßen.

STANDARD: Weil Wohnen zu teuer wird?

Förster: Zumindest im geförderten Wohnbau liegen die Kosten genau in der Inflation. Ich glaube einfach, dass die Kaufkraft der Leute zurückgegangen ist.

STANDARD: Da will die Stadt mit Smart Wohnungen gegensteuern.

Förster: Ja, und die Bauträger, die schon Smart-Wohnungen bauen, sagen uns, dass sie geradezu überrannt werden von Interessenten.

STANDARD: So mancher Bauträger hält es aber für wenig sinnvoll, wieder "Garçonnièren" zu bauen, weil angenommen wird, dass mittelfristig wieder größere Wohnungen gefragt sein werden.

Förster:  Im geförderten Wohnbau ist es schlicht und einfach die Vorgabe der Stadt, ein Drittel als Smart-Wohnungen zu bauen - dagegen kann sich also niemand wehren, außer natürlich, man baut freifinanziert. Im Übrigen kann man auch in den neuen Wohnheimen schlicht eine Ansammlung von Garçonnièren sehen, und nach diesen herrscht eine große Nachfrage - unter Wochenpendlern oder auch wenn nach einer Scheidung rasch eine Wohnung gebraucht wird.

STANDARD: Wohnheime boomen derzeit geradezu.

Förster: Bauträger wollen diese Kleinwohnungen wegen der stärkeren Fluktuation nicht in "normalen" Wohnhäusern haben, sondern bauen lieber eigene Häuser dafür. Ich halte das aber für den falschen Weg, die gehören in ein Wohnhaus integriert.

STANDARD: Wohnheim ist eine eigene Kategorie in der Wohnbauförderung - müsste dafür nicht das Gesetz geändert werden?

Förster: Nein, weil jede Förderungsmischung möglich ist: Der erste Stock als Wohnheim, darüber Mietwohnungen, ganz oben freifinanzierte Wohnungen. Freilich ist es nach dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz nicht ganz einfach, das zu machen. Da verstehe ich die Bedenken. Ich verstehe auch, dass Bauträger lieber größere Wohnungen vermieten als kleine, denn da haben sie weniger Mieter auf derselben Fläche und vielleicht auch zahlungskräftigere Mieter und damit weniger Probleme. Die durchschnittliche Haushaltsgröße liegt aber schon bei unter zwei Personen, da ist keine Trendwende zu sehen. Und auch was die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Haushalte betrifft, bin ich nicht allzu optimistisch.

STANDARD: Zum Schluss noch zum Leerstand: Der müsste in den vergangenen Jahren rapide gesunken sein. Haben Sie aktuelle Zahlen?

Förster: Wir haben versucht, das mit der MA 18 gemeinsam zu ermitteln, es ist aber nicht so einfach. Was definiert man als Leerstand? Zählt dazu auch eine Wohnung, die zwar vermietet ist, aber temporär nicht genutzt wird? Wir sind irgendwo zwischen 30.000 und 50.000 leerstehenden Wohnungen gelandet. Ein nicht geringer Teil davon ist Wohnungseigentum, auf diese Wohnungen haben wir natürlich keinen Zugriff - da müsste man schon drastische Gesetzesänderungen durchführen. Danach kommen schon der Sanierungs- und der Mobilitätsleerstand - also das, was notwendig ist, damit man überhaupt noch einen funktionierenden Wohnungsmarkt hat. Dieser Leerstand sollte bei zwei bis drei Prozent liegen. Wenn man jetzt den gesamten Wiener Wohnungsbestand von einer knappen Million herannimmt, sind wir mit 30.000 schon an dieser Grenze. Ein weiterer Rückgang wäre aus meiner Sicht bedenklich, weil damit nur die Spekulation angeheizt und der Wohnungsmarkt insgesamt sehr gestört werden würde. (DER STANDARD, 9.11.2013)