Bilder einer Ausstellung: "Kalkulierter Größenwahn, Geniebenützung, Leithammelsuche eines Nichtidentischen", schrieb Arnulf Rainer über seine Vincent-van-Gogh-Umformungen.

Foto: Kramar / Kollektiv Fischer

Wien - In den Herrenumkleidekabinen gastiert Vincent van Gogh. Van Gogh mit schwarz- und schmerzverknödeltem Gesicht, van Gogh mit Sturmfrisur, van Gogh mit Eselsohren, van Gogh als Hals- und Ohrenarzt, van Gogh zwischen blauen und roten Vorhängen hervorlugend, wie Blut rote Farbspritzer überm Gesicht. Gegenüber in den Damenkabinen Francisco de Goyas düstere Wirklichkeit, der Schmerz, das Wilde, das Leiden, der Kopf mitunter wie mit schwarzem Pelz umkränzt, dann hinter rotem Flammenmeer erahnbar, hinter grünem Farbregen, bedrohlichem Dornengestrüpp.

"Das Bild sagt mir: 'Hier will ich Rot, hier Grün', dem komme ich nach wie ein Knecht. Die Frage ist dann nur, ob ich es auch getroffen habe." Als er 18 Jahre alt war, habe er erstmals gespürt, dass van Gogh unbedingt von ihm gemalt, "metaphorisiert" werden wollte, doch diese "Selbstverirrung" (Rainer) habe er verbrannt. Heute zerstört der inzwischen 84-Jährige seine Übermalungen nicht mehr: "Das ist eine Yogaübung für mich, dass ich aus jedem Bild, selbst wenn es noch so sehr im Schwarz verschwimmt, etwas mache."

Meisterliche Spitzbuben

Intime Nahverhältnisse, Wahlverwandtschaften sind spür- und sichtbar, Rainer und Messerschmidt und die Lust am Grimassieren, an physiognomischen Verzerrungen. Oder Rainer und Rembrandt und ihre Lust an theatralischen Posen und Kostümierungen, an Selbstinszenierungen und Introspektionen. War Rembrandt ein Spitzbube? betitelt Rainer, selbst spitzbübisch, eines der mit Ölkreide akzentuierten Porträts. Doch schon das nächste Bild ist so düsterschaurig wie der Titel: Rembrandt beobachtet mich aus der Grabkammer.

Erstmals kuratiert der Kunsthistoriker Peter Weiermair eine Ausstellung im ehemaligen Frauenbad in Baden. Bei der Auswahl legte er den Fokus auf Rainers Porträtbearbeitungen.

Unprätentiös nutzt er die "exzentrische Struktur des Museums" (Weiermair). Indem er auf kuratorische Spompanadeln verzichtet, schafft er erhellende Klarheit für den Witz und die Ironie Rainers, für dessen Be- und Überdeckungen, expressive Ver- und Enthüllungen, seine Akzentuierungen, Verschleierungen, Idealisierungen und Dämonisierungen.

Früher, sagt Rainer, hätten ihn nur Gräuel interessiert, nun, langsam, auch Schönheit und Anmut. Sanft umhüllt er also Frauenantlitze mit Tüchern aus Farbe, gnadenlos verbannt er Jünglinge hinter dick-pastose Vorhänge.

Seit den 1970er-Jahren bearbeitet er alte Kunst, bringt sie mit seinen Farbschüben und nervösen Gesten zum Glühen. Oder zum Schweigen. "Mit diesen Mätzchen verbringe ich meine Tage", schrieb er dazu 1980. "Abendkulturell gesehen ist dies Heiligenschändung. Ikonenbesudelung. Kultaberwitz, Totenspott. Numinosenschauer. Schauriges. Tabubestastung. Oder nur Duell und Duettspielerei." (Andrea Schurian, DER STANDARD, 9.11.2013)