Die rasanten Veränderungen auf den Märkten und in den Rahmenbedingungen unternehmerischen Handelns sind die wohl härteste Bewährungsprobe für das Können des Managements. Präventive Anpassung in den immer dichteren Nebel des Zukünftigen und das Dickicht der Vorschriften hinein wird zur Conditio sine qua non des Managementhandelns. Und stellt das Können von Minute zu Minute auf neue Proben.

Kaum noch ein Unternehmen, für das nicht in irgendeiner Weise ein weltweiter Bezugsrahmen gilt. Nahezu alle müssen sich auf globalen Märkten Mitbewerbern stellen, sich ihnen gegenüber behaupten und durchsetzen. Das bleibt nicht ohne Folgen für die Führungskräfte: Die Führungsarbeit am heimischen Ort gerät zur Teilzeitbeschäftigung. In dem gleichen Maße, wie sie abnimmt, nimmt die Aufgabe zu, Mitarbeiter an mehreren Standorten gleichzeitig zu führen. Und sich mit gemischten Nationalitäten, Mentalitäten sowie fremden Sitten und Gebräuchen auseinander- und ins Benehmen zu setzen. Und das in verschiedenen Zeitzonen. Was den landläufigen Begriff "Feierabend" für das Management endgültig in den Bereich einer wehmütigen Erinnerung an vergangene Tage befördert.

Anpassung und Anpassung an die Anpassung wird der unerbittliche Regent des zukünftigen Managens. Für nicht wenige kaum denkbar, dass sich dieser Anpassungswettlauf noch weiter intensivieren lässt. Sie werden umdenken müssen. Und dazu ihre innere Auflehnung dagegen besiegen müssen. Wer als Manager des Zukünftigen nicht ständig innerlich auf dem Sprung ist, darf sich kaum noch Karrierechancen ausrechnen. Die persönliche berufliche Lebensversicherung, zu einem Gutteil wird die darin bestehen, dafür zu sorgen, nicht atemlos zu werden. Wer versäumt, den Einsatz für das vertraglich zu leisten Vereinbarte mit dem Einsatz für die eigene Leistungsfähigkeit von Geist und Körper konsequent zu koppeln, wird kaum besser dotierte Verträge zu sehen bekommen.

Andauernder Prozess

War Veränderung und Anpassung früher ein eng begrenzter Zwischenschritt zwischen länger anhaltenden Phasen der Kontinuität, wird Veränderung und Anpassung morgen und übermorgen zu einem sich permanent selbst überholenden Prozess. Allein schon das über allem hängende Damoklesschwert der zu verarbeitenden, sich laufend ausweitenden Informationsmenge in unheiliger Allianz mit der emporschnellenden Geschwindigkeit aller möglichen Kommunikationskanäle wird a) dafür sorgen und b) das Verschnaufen verhindern.

Es braucht keine hellseherischen Kräfte, um der klassischen, sich nach unten ausfächernden Linienorganisation die Brauchbarkeit für die Wirtschaftswelt von morgen abzusprechen. Sie ist schon längst überholt. Für die Bewältigung des Kommenden ist diese Organisationsform zu unflexibel, sind ihre Entscheidungswege zu lang und zu schwerfällig. Werden doch schon heute neben der Linienorganisation in der Matrix Projekte quer zur Linie realisiert. Die Permanentaufgabe " Anpassung und Veränderung" braucht neue Organisationsformen, die abzeichnende Konstellationen rasch erfassen und darauf reagieren können. Das verlangt nach kleinen, schlagkräftigen Einheiten, die teilautonom agieren und reagieren.

Veraltete Instrumente

Mit den direkt das Führungsgeschehen nach wie vor beeinflussenden tradierten Führungsinstrumenten Befehl, Gehorsam und Kontrolle allein wird eine Führungskraft also kaum noch auch nur in die Nähe ihrer Ziele kommen. Zeigt sich doch schon heute, zu welcher Leistungszurückhaltung und -minderung eine solche "Herr im Haus"-Einstellung bei den "Untergebenen" führt. Um in einem noch wesentlich undurchsichtigeren, komplexeren Umfeld als heute "ihren Mann stehen" zu können, brauchen sie neben Wissen und Können in verstärktem Maße Fingerspitzengefühl. Die Bereitschaft, der Wille und das Vermögen, neben dem Verstand alle anderen Sinne zu nutzen, um in schwer durchschaubaren Situationen in gemeinsamer Anstrengung aller Entscheidungen vorzubereiten und zu treffen, ist auf dem Weg zu einer der wichtigsten Zukunftsfähigkeiten von Führungskräften.

Zukünftige Entscheidungen werden stärker in Geahntes und Vermutetes hinein zu treffen sein. Allein das verbietet, sie aus der Chefattitüde in solitärer Allwissenheitsüberzeugung im Alleingang und in Unduldsamkeit von Widersprüchen zu treffen. Intuition in Verbindung einerseits mit einer auf Wissen, Können und Fakten gestützten Analysefähigkeit, andererseits unter einfühlendem Einbezug der unterschiedlichen Fähigkeitsspektren und des Know-hows der Mitarbeiter, das wird in den führenden Positionen zum Ausweis zukunftsorientierter Managementfähigkeit.

Anstatt selbstherrliche fordert die Bewältigung der Zukunft aufgeschlossene, offen auf ihre Leute zugehende und ihnen zugetane Führungskräfte. Desgleichen Menschen, bei denen der Gedanke an Widerspruch nach oben nicht automatisch mit dem Gedanken an beruflichen Selbstmord gekoppelt ist. Und eine betriebliche Bewusstseinskultur, die diesen Mut honoriert.

Gemeinsam statt einsam, anders als unter diesem Motto wird es schwer gelingen, mit dem inneren Wollen dem äußeren Druck Paroli zu bieten. Die klassische, eher autoritäre und kontrollierende Führungskraft wird ihre Organisation nicht dazu befähigen, noch ein wenig schneller zu lernen und Kommendes wie Auslaufendes rechtzeitig zu erspüren.

Steigende Bedeutung

Der Wille der Führenden und ihr entsprechendes Tun, vorurteilsfrei aktiv zu lernen und die Mitarbeiter dahin zu führen und sie darin zu unterstützen, wird weit über ihre heutige Bedeutung hinaus über Steigen oder Sinken von Unternehmen entscheiden. Veränderungen vorausschauend zu erkennen und zu managen, fordert abfällige Urteile à la "Blödsinn" oder "Sie schon wieder!" aus dem innerbetrieblichen Diskurs zu verbannen. Wo nichts mehr unmöglich ist, darf es auch in der innerbetrieblichen Diskussion nicht das Verdikt "Unmöglich!" geben. Die Kunst zukünftiger Unternehmensführung wird mit darin bestehen, die sich daraus ergebenden Widersprüche und Mehrdeutigkeiten auszuhalten und im abwägenden Gespräch mit den Mitarbeitern daraus Entscheidungen zu synthetisieren und Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Bodenverhaftetes, von Selbstreflexion getragenes solides Führenkönnen wird maßgeblich dazu beitragen, dem enormen Leistungsdruck standzuhalten. (Hartmut Volk, DER STANDARD, 9./10.11.2013)