Johanna Orsini-Rosenberg mit dem falschen Hund.

Foto: Frenzel

Wien - Um im diesseitigen Jammertal halbwegs Haltung zu wahren, braucht der Mensch etwas, das ihn aufrecht hält. Sex oder Liebe, Geld oder Macht - Hauptsache irgendeine Krücke, um nicht vor die Hunde zu gehen. In Gabriele Kögls klugem, bitterbösem Stück Fressen, Kaufen, Gassi gehen, im Kosmostheater inszeniert von Barbara Herold als österreichische Erstaufführung zu sehen, legt man sich lieber einen Hund zu.

Zwei Frauen bekämpfen hier die Zumutungen des Daseins: Claudia Martini legt sich dazu einen hochpreisigen Pelz zu, umschwänzelt von Maria Fliri als dümmlicher Verkäuferin mit pinkfarbener Perücke, die ganz zauberhaft kiekst, statt zu lachen. Martini mischt fein dosiert Zynismus mit Würde und schafft es, auf der Bühne um Jahre älter auszusehen, als sie es in Wahrheit tut. Johanna Orsini-Rosenberg ist ihre Freundin Hartl und gibt der Figur etwas so faszinierend Abstoßendes, dass man sie immerzu ansehen muss: Sie ist so bieder und eilfertig, dass es einen fast ekelt. So schmerzhaft ihre Anpassung spürbar wird, so brachial brechen die Triebe aus.

Kaum, dass die Verkäuferin von "Schwänzen" fabuliert, muss ihr alles herhalten für eine verbissene Suche nach Befriedigung: Handtaschen und Maßbänder ebenso wie ein High Heel der Verkäuferin. Schließlich wird ein Hund zum Lebensinhalt befördert. Auf der Bühne (Caro Stark) sinnigerweise ein aufblasbares Plastiktier, montiert auf einem Staubsaugerroboter - schließlich geht es hier um Dienstleitung. Man trifft auf andere Mitglieder der Hundebesitzer-Community, auf Isabella Wolf und Christo Melingo, die wunderbar pointierte Karikaturen jener Figuren hinlegen, die die Hundeauslaufzonen dieser Welt bevölkern.

Weil auch der Hund nicht hält, was er versprach, wird aus der Biederfrau Hartl ein blutrünstiges Jägersweib, und der Abend bekommt ein paar seiner schönsten Momente: Untermalt von Paul McCartneys Live and Let Die, geht es in Zeitlupe zur Hunde- und Herrchenjagd, im Hintergrund sieht man Orsini-Rosenberg in einem Comicfilm ("Harr Harr!"). Eine sehenswerte Inszenierung, die zeigt: Auch der größten Unbill lässt sich noch eine schöne Zeit abgewinnen. (Andrea Heinz, DER STANDARD, 8.11.2013)