Die Zentrale des Europäischen Polizeiamts (Europol) in Den Haag.

Foto: Andrea Zlatarits

Die Forderung von EU-Justizkommissarin Viviane Reding ist klar: Die Europäische Union brauche bis zum Jahr 2020 einen eigenen Geheimdienst, ein europäisches Gegengewicht zur übermächtigen NSA. Schließlich seien Geheimdienst-Aktivitäten bisher Sache der jeweiligen Mitgliedsstaaten. Auf dem Papier mag Reding damit Recht haben.

Dass die EU bereits jetzt gemeinsame geheimdienstliche Einheiten unterhält, steht dennoch außer Frage. Allein unter Führung des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) sind zumindest drei Einheiten aktiv. Zudem weisen zwei weitere Agenturen auf EU-Ebene nachrichtendienstliche Strukturen auf. Mehr als 1000 Personen arbeiten für die verschiedenen Behörden. Ein Überblick:

Europol

Das Europäische Polizeiamt (Europol) war bei seiner Gründung am 1. Juli 1999 die erste Behörde ihrer Art und ist als einzige in den Verträgen der EU festgehalten und legitimiert. Europol ist unter anderem mit der Bekämpfung und Prävention illegalen Waffenhandels, Drogenhandels, Terrorismus, Kinderpornografie und Geldwäsche beauftragt. Im Gesetzestext liest man dazu etwa, dass Europol "Informationen und Erkenntnisse sammeln, speichern, verarbeiten, analysieren und austauschen" solle. Beaufsichtigt wird der Nachrichtendienst durch die jeweiligen Justiz- und Innenminister der EU-Mitgliedsstaaten.

Die Finanzierung läuft ebenso über die EU-Mitglieder, das Budget von Europol steigt stetig. Betrug das Budget 2001 lediglich 35,4 Millionen Euro, flossen 2012 mehr als 84 Millionen Euro in die Behörde. Auch die Mitarbeiterzahl stieg in diesem Zeitraum nach Angaben von Europol enorm: von 323 auf 802. Der Direktor des Polizeiamtes wird vom EU-Ministerrat ernannt. Die einzelnen Mitgliedsstaaten entsenden zudem "Verbindungsbeamte", welche die jeweiligen Interessen wahren. Es arbeiten jedoch auch Interessensvertreter anderer Länder, unter anderem der USA, Russlands oder Australien, für Europol. Ebenso vertreten: die internationale Polizeibehörde Interpol.

IntCen

Das Intelligence Analysis Centre (IntCen) ist die direkte Nachfolgeorganisation des Joint Situation Centre (SitCen), welches im Jahr 2002 ins Leben gerufen wurde. Seit 2011 ist es Teil des Europäischen Auswärtigen Dienstes. Der Aufgabenbereich des IntCen ist formell auf Spionageaktivitäten begrenzt. An den Aktivitäten von IntCen nehmen nicht alle Mitgliedsstaaten teil, die Berichte und Einschätzungen werden in der Regel dennoch allen Staaten zugespielt. Man geht jedoch davon aus, dass besonders sensible Informationen nur an eine kleine ausgewählte Gruppe von Staaten weitergegeben werden, unter denen bereits ein langes Vertrauensverhältnis bei brisanten Dokumenten besteht. So etwa Deutschland, Frankreich, Italien oder Spanien.

Ebenso sammelt das IntCen Informationen von den nationalen Geheimdiensten ein, die von diesen auf freiwilliger Basis zur Verfügung gestellt werden. Der Nachrichtendienst ist vor allem auf die Frühwarnung über externe Bedrohungen und deren Risikobewertung zuständig. Rund 70 Mitarbeiter arbeiten nach eigenen Angaben für das IntCen.

EUSC

Das Satellitenzentrum der Europäischen Union (EUSC) nahm am 1. Jänner 2002 den Betrieb auf. Im betreffenden Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft wird das EUSC als "unverzichtbar für den Ausbau von Frühwarn- und Krisenbeobachtungsmechanismen im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und insbesondere der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP)" dargestellt. Mehr als 100 Personen arbeiten aktuell für das EUSC.

"Das EUSC ist eine der wenigen operativen Agenturen der Europäischen Union. Für multinationale Einsätze der EU, jenseits der traditionellen Einsatzorte, bieten wir die nötige Aufklärung", sagte der damalige Chef des Zentrums Frank Asbeck 2008 dem "Spiegel": "Wir sind die Augen Europas." Die Hauptquelle bei den Operationen des EUSC sind Satellitenbilder, die von kommerziellen Anbietern aus Partnerländern aufgekauft werden. Etwa aus den USA, Russland oder von EU-Mitgliedsstaaten.

Frontex

Die Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen, kurz Frontex, ist zuständig für die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten an den Außengrenzen der Europäischen Union. Seit der Gründung am 26. Oktober 2004 ist Frontex vor allem mit dem Erstellen von Risikoanalysen betraut und verfolgt zudem die Entwicklungen der für die Kontrolle und Überwachung der Außengrenzen relevanten Forschung. Ebenso soll die Agentur einen stärkeren Beitrag zur Kriminalitätsbekämpfung an den Grenzen leisten, wie die Europäische Union erklärt.

Frontex arbeitet zudem eng mit anderen Partnereinrichtungen zusammen. Unter anderem mit Europol, Interpol oder den nationalen Polizeidiensten. Momentan arbeiten rund 300 Mitarbeiter für Frontex, das Budget beträgt weit mehr als 100 Millionen Dollar.

EU Situation Room

Parallel zur Gründung des EAD am 1. Jänner 2011 wurde der EU Situation Room gegründet. Das Aufgabenfeld des Nachrichtendienstes umfasst die ununterbrochene Überwachung "weltweiter Events, die für die EU oder die EAD als Ganzes relevant sind", heißt es auf der Website des EAD.

Zuständig ist der EU Situation Room vor allem in Krisenfällen - sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene. Die Informationen bezieht der Situation Room von diversen EU-Institutionen, den Mitgliedsstaaten selbst, aber auch von internationalen Organisationen wie etwa den Vereinten Nationen. (Josef Saller, derStandard.at, 7.11.2013)