Graphik: Desmos

Desmos-Gründerinnen (von li.): Theaterfrau und Eventmanagerin Ekavi Valleras, Unternehmensberaterin Alexia Katsaounis, Designerin Myrto Anastassopoulos, Anwältin Niki Kerameus und die Zahnärztin Marina Sotiriou.

Foto: Desmos

In Griechenlands Tristesse von Sparpolitik und Gewalt sind Ekavi Valleras und ihre Gang eine der wenigen guten Geschichten. Ihr Geschäftsmodell ist der Überschuss, und das Geschäft, so zeigte sich jüngst bei einem neuen Besuch, eineinhalb Jahre später, brummt. Desmos, der Hilfsverein, den Ekavi Valleras zusammen mit Freunden 2012 in Athen gegründet hatte, ist größer geworden, hat mehr Kunden, mehr Abnehmer, mehr Helfer. Und mittlerweile auch einen eigenen Transportwagen. Wer von etwas zu viel hat, gibt es ab. Desmos arrangiert alles: Möbel, Gebäck, Shampoo, Heizöl für Schulen, Gratiskino für Inselbewohner.

Desmos, Griechisch für "Band", "Verbindung", schwimmt in einem Meer der Frustration. "Es gibt viel blinden Hass gegen die 'alte Ordnung' und zugleich eine neue Taubheit", so beschreibt Valleras,, eine 33-jährige Griechin, die längere Zeit in New York gearbeitet hat, wie sie die Stimmung im Land erlebt. Desmos ist gleichwohl unpolitisch.

Jahr Nummer sechs der Super-Rezession in Griechenland beginnt bald, Rettungskredit Nummer drei wird bald geschnürt, auch wenn die EU-Regierungen noch herumdrucksen. Griechenlands Gesellschaft löst sich auf, so scheint es, doch dann gibt es eben Initiativen wie Desmos, die mit einigem Erfolg die Griechen zur Solidarität aufrufen und wieder aneinander binden.

Keine ganz einfache Sache: Schenkungen von Unternehmen werden in Griechenland immer noch mit 23 Prozent Mehrwertsteuer belegt. Es ist eine der Absurdheiten der Sparbürokratie, die seit 2010 regiert. "Es ist billiger, Überschussprodukte wegzuwerfen", heißt es bei Desmos. Trotzdem rufen Firmen an und bieten an, was sie auf Lager haben und abgeben können: 700 kg Kekse, 4,6 Tonnen Pasta, falsch verpackt, aber sonst in Ordnung, 225 Seren für Kinderimpfungen, 1500 Kinderbücher, 3650 Produkte für die tägliche Hygiene. Fast 3,795 Millionen Griechen waren laut Eurostat 2012 von Armut bedroht, mehr als ein Drittel der Bevölkerung und knapp 400.000 Menschen mehr innerhalb nur eines Jahres.

Mehr als 70 Unternehmen und 230 NGOs in Griechenland arbeiten mittlerweile mit Desmos. Das halbe Dutzend Helfer, immer noch gratis untergebracht im Bürogebäude eines Versicherungsunternehmens im Athener Norden, hat einen Teil der 100-Millionen-Euro-Hilfe erhalten, die der Reeder Stavros Niarchos 2012 über seine Stiftung auf drei Jahre verteilt bereit stellte. Eines der aufwändigsten Projekte im Winter 2013 war die Heizöl-Verteilung: Ein Tabakkonzern hatte 70.000 Euro locker gemacht für Schulen in Nordgriechenland (wo auch Tabak angebaut wird). Desmos listete 400 Schulen auf, kaufte Heizöl ein, überwachte zwischen Jänner und März jede Lieferung - man weiß ja nie. Wegen neuer Steuererhöhungen beim Heizöl und Ausgabenkürzungen für den öffentlichen Dienst hatten viele Schulen in Griechenland kein Geld mehr zum Heizen der Klassenzimmer. Vor diesem Problem stehen sie nun übrigens wieder. (derStandard.at, 6.11.2013)