Irgendwie gehört es dazu: In Amerika zerren Politkandidaten ihre Familien mit ins Scheinwerferlicht. Im Fall von Bill de Blasio aber ist es mehr als eine bloße Pflichtübung: Seine Familie ist sein Erkennungszeichen: eine Gattin mit dunkler Haut, eine Schriftstellerin, die sich in jungen Jahren öffentlich als Lesbe bekannte; und zwei farbige Teenager – die Studentin Chiara und der hochgewachsene Dante mit dem Afro, dessen Frisur an Black Power erinnern mag, aber in Wahrheit zum Symbol geworden ist für ein cooles, modernes New York. Ohne Dante, glauben manche, hätte de Blasio die Wahl nicht gewonnen – jedenfalls nicht so haushoch.

Noch bei der Vorwahl der Demo­kraten war er lange der krasse Außenseiter, ehe sein 15-jähriger Sohn mit einem genialen Werbefilmchen das Blatt zu wenden half: "Er ist ein Bürgermeister für alle New Yorker, egal wo sie wohnen und wie sie aussehen."

De Blasio, bis dato Ombudsmann der Stadt, profilierte sich als Stimme der Frustrierten, die im Aufschwung der Weltmetropole unter Michael Bloomberg keine Erfolgsgeschichte, sondern eine der zunehmenden Spaltungen sehen. Manhattan überstand die Finanzkrise, die Wall Street hat sich erholt, die Immobilienpreise steigen wieder. Doch Haushalte im untersten Fünftel der Einkommenspyramide verdienen im Schnitt nur 9000 Dollar pro Jahr, die reichsten fünf Prozent dagegen 437.000 Dollar.

De Blasio verspricht die Kluft zu verringern und Steuern für Betuchte anzuheben. Und die Polizei soll sich verabschieden von ihrer Taktik des "stop and frisk" , bei der Passanten ohne Verdacht durchsucht werden und bei der Schwarze und Latinos häufiger ins Visier geraten als junge Weiße.

Es gibt Skeptiker, die daran zweifeln, dass der neue Mayor eine Megacity effizient verwalten kann. De Blasio ist der nette Nachbar von nebenan, der Normalverbraucher.

Die konservative New York Post nannte ihn "Che de Blasio" , weil er Spenden für die Sandinisten Nicaraguas sammelte und 1994 seine Flitterwochen auf Kuba verbrachte – und damit das US-Reiseverbot ignorierte.

Mit dem linken Populisten, orakeln seine Gegner, drohe dem sauberen, sicheren New York ein Rückfall in die Zeit der Anarchie, als man es sich dreimal überlegte, ob man abends mit der U-Bahn fuhr. Darauf der neue Bürgermeister: "Die Wähler sind nicht darauf fixiert, wie ihre Stadt früher aussah: Sie wollen lieber über heutige Lösungen reden." (Frank Herrmann /DER STANDARD, 7.11.2013)