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Die Aufrichtigkeit der US-Verhandler wird auf Plakaten entlang der Straßen Teherans in Zweifel gezogen.

Foto: AP/Norooz

Auf die gute Stimmung bei den neuen Gesprächen mit dem Iran muss nun Substanz folgen. Viele Widerstände müssen überwunden werden.

Genf/Wien – Mit jeder neuen Gesprächsrunde zwischen dem Iran und den P5+1 (die fünf atomaren Vetomächte im Uno-Sicherheitsrat plus Deutschland) kommt die Stunde der Wahrheit näher: Ist die atmosphärische Entspannung, die auf die iranischen Absichtserklärungen folgte, den Atomstreit lösen zu wollen, tragfähig genug für ernsthafte Verhandlungen? Die groben Linien, in welche Richtung man gehen muss, um eine Beilegung der jahrelangen Krise zu erreichen, sind ja klar, aber der Teufel sitzt wie so oft im Detail.

Die Verhandlungen haben eine technische und eine politische Schiene – und da die Iraner Letztere eindeutig als wichtiger ansehen, gibt es Sorge bei den westlichen Nuklearexperten, dass ihren technischen Anliegen nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt werden könnte. Wenn Irans Außenminister Mohammed Javad Zarif davon spricht, dass eine Lösung prinzipiell innerhalb einer Woche gefunden werden kann, dann ist zu entgegnen, dass dies von der technischen Seite her völlig unmöglich ist.

Und selbst wenn der Iran wie auf ein Zauberwort alle Wünsche seiner Gesprächspartner für die Zukunft erfüllen würde (was nicht der Fall sein wird), bleibt offen, wie mit den Fragen zu Irans vermuteten vergangenen Aktivitäten im militärischen Bereich umgegangen wird. Dass die Gegenseite bereit ist, einfach einen Strich darunter zu ziehen, ist schwer vorstellbar.

Die internen, aber auch externen Widerstände besonders gegen eine amerikanisch-iranische Annäherung sind beträchtlich, und beide Länder können sie nicht ignorieren. Die Parallelen im internen Diskurs in den USA und im Iran rund um die Gespräche sind auffallend: Der religiöse Führer Ali Khamenei sprach vor ein paar Tagen davon, dass man dem "lächelnden Feind" nicht trauen dürfe. Der Ausdruck könnte eins zu eins von einem US-Hardliner stammen – oder von Israels Premier Benjamin Netanjahu, von dem Barak Ravid in "Haaretz" jedoch schreibt, dass er trotz seiner Bad-Cop-Rolle den Versuch Obamas, mit dem Iran ins Gespräch zu kommen, unterstützt.

Khamenei kritisierte auch den "doppelten Ansatz" der USA, trotz der deklarierten Gesprächsbereitschaft und der freundlicheren Töne keine der Drohungen gegen den Iran vom Tisch zu nehmen. Obama hat den Kongress im Hintergrund, der stets bereit ist, als Spielverderber zu fungieren. Genau das Gleiche ist jedoch im Iran zu beobachten: Parlamentspräsident Ali Larijani pochte vor kurzem auf das Recht des Parlaments, bei der Zukunft des Atomprogramms mitzubestimmen.

In der Tat haben die iranischen Abgeordneten schon in einer frühen Phase zumindest nominell über ein völlig unverzichtbares Element einer Einigung zu entscheiden: die Ratifizierung des "Zusatzprotokolls" zum "Safe­guards-Agreement" der Inter­nationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien mit dem Iran.

Das Zusatzprotokoll

In einer Safeguards-Vereinbarung sind die Inspektionsrechte der IAEA und die Pflichten des inspizierten Staates festgelegt. Das "Zusatzprotokoll" – in das die Erfahrungen der IAEA bei der Abrüstung des Irak und Südafrikas in den 1990ern eingeflossen sind – erweitert die Rechte der IAEA auf Inspektion, Verifizierung und Überwachung beträchtlich. Es wäre ein Kernstück der neuen iranischen Transparenz.

Was die P5+1 vom Iran wollen, ist ziemlich klar: eine klare Deckelung der Uran-Anreicherung, eine Reduktion der Bestände von angereichertem Uran sowie ein Rollback des Schwerwasser-Reaktorbaus in Arak, in dem ein potenzielles Plutonium-Programm schlummert. Die iranische Führung weiß natürlich genau, was von ihr verlangt wird, die Frage ist, ob sie, wenn sie dazu bereit ist, eine absehbare Belohnung – Stichwort Sanktionenerleichterung – erwarten kann. Das ist für Rohanis und Zarifs Initiative überlebensnotwendig. (Gudrun Harrer /DER STANDARD, 7.11.2013)