Beam me up, Scotty? - Jan Machaceks Performance "Normarena" im Brut-Konzerthaus. 

Foto: Monika Saulich

Das Ziel hätte sowieso nicht erreicht werden können. Aber die Unruhe war groß, als Christoph Schlingensief 1998 seine Partei Chance 2000 gründete und vier Millionen deutsche Arbeitslose aufforderte, gemeinsam im Salzburger Wolfgangsee zu baden. So sollte Kanzler Kohls Sommerresidenz am Ufer überschwemmt werden. Der Slogan von Chance 2000 lautete: "Scheitern als Chance!"

So ist auch der neue Themenschwerpunkt "Nachhaltig scheitern" im Brut-Theater gemeint: als Widerstand gegen die Klischees von statusträchtigem Erfolg unserer neoliberalen Gesellschaft. Zu den an dem Schwerpunkt teilnehmenden Kunstschaffenden zählen neben Jan Machacek, der den Eröffnungsbeitrag liefert, Lola Arias, Bernadette Anzengruber, die Gruppe Gob Squad, das Duo Martin Schick und Damir Todorovic sowie die Betreiber des Thementags "Schnellkurs Scheitern".

An Schlingensief kommen sie alle nicht vorbei. Das Bad der Millionen hätte den Wasserspiegel des Wolfgangsees zwar nur um zwei Zentimeter angehoben, sprich Kohl wäre trocken geblieben. Aber der amtierende Bürgermeister Josef Dechant drohte dem Veranstalter, der die Aktion mitorganisierte, mit dem Entzug der Subventionen von 250.000 Euro. Das erinnerte daran, dass es in Österreich immer noch Zensur gab. Zwei Jahre später kam Schlingensief nach Wien und führte seine Aktion Ausländer raus! durch.

Der Skandal von damals hielt den Österreichern einen Spiegel vor. Eine unmittelbare Auswirkung gab es zwar nicht, aber da kommt nun die Nachhaltigkeit ins Spiel. "Nachhaltig zu scheitern kann Platz für etwas anderes, vielleicht auch für etwas gänzlich Neues machen", meint das Brut. Wenn also etwas Besseres kommen soll, muss auch der Raum dafür wachsen. Und das braucht Zeit: Jeder Veränderungswille muss also die Zeit für sich arbeiten lassen.

Der Wiener Medien- und Performancekünstler Jan Machacek setzt in seiner neuen Arbeit Normarena, die später auch beim Spielart-Festival in München zu sehen sein wird, auf ein raumschaffendes Referenzsystem. Seine Versuchsanordnung setzt sich aus einem "Erfolgstypus" (weiß, männlich, heterosexuell), einer raumhohen Trommel aus Plexiglas, in die Schlitze eingelassen sind, und einem Text zusammen. Der Typ, dargestellt von Nestroypreisträger Max Mayer, ist in diesem rotierenden Gerät eingeschlossen. Gefangen in einer Art Zoetrop, einer jener Apparaturen, mit denen vor der Erfindung des Films bewegte Bilder simuliert werden konnten.

Das erinnert an Machaceks Experimentalfilm In The Mix (2008), für den der Künstler die Kamera auf einem Mixer rotieren ließ. Der 38-Jährige ist der Mann des Performancegeräts, wie er 2002 in Vacuum Revue bewiesen hat. Darin zeigte er u. a. seine Körperoberfläche durch eine Kamera, die er in einen Staubsaugerschlauch eingebaut hatte. Die Texte dafür stammten unter anderem von Barbara Schurz, Alexander Brener und Samuel Beckett.

Auflehnung gegen die Norm

Den Text für Normarena hat die österreichische Autorin Gerhild Steinbuch verfasst. Ihre Worte werden auf die Plexiglastrommel projiziert. Was wieder an Machaceks Film Words denken lässt, in dem der Künstler als Negativfigur hinter einer Projektion von Pong (1972), dem ersten Videospiel überhaupt, monoton F. R. Davids Song Words (don't come easy) (1982) aufsagt.

Stellt sich die Frage, ob Steinbuchs Worte Max Mayer aus dem falschen Film beamen können. Oder ob seine Auflehnung gegen die gesellschaftliche Maschinerie, die ihn zu einem Normtypus macht, scheitert. Und wenn ja, ob dieses Scheitern Raum schafft für etwas Besseres. (Helmut Ploebst, DER STANDARD, 6.11.2013)