Guten Morgen, guten Abend: Joseph eröffnete eine Bäckerei samt Patisserie und Restaurant auf der Landstraßer Hauptstraße.

Foto: Gerhard Wasserbauer/http://www.wasserbauer.cc

Joseph punktet mit köstlich wie aufwändig belegten Knusperbroten.

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Wennschon, dennschon. Nach dieser Business-Strategie werkt offenbar die Bäckerei Joseph. Seit ein paar Jahren betreibt Josef Weghaupt ein Geschäft in der Naglergasse, wo die Kunden bei Regen oder Sonnenschein bis auf die Gasse anstehen, um sein im Waldviertel gebackenes Demeter-Brot nach Hause tragen zu dürfen.

Was heute wie ein Selbstläufer erscheint, wirkte zu Beginn freilich wie ein ziemlich gewagter Schuss aus der Hüfte. Eine noble Brotboutique, bei der schon die Ablöse so viel gekostet hat wie anderswo eine Eigentumswohnung, noch dazu in einer winzigen Gasse ohne Durchzugsverkehr - kein Wunder, dass die Banken dem jungen Mann da nichts vorschießen wollten.

An der Spitze der lokalen Baguette-Evolutionskette

Jetzt sind drei Jahre vergangen, Joseph stattet mittlerweile die Brotkörbe etlicher feiner Restaurants aus und landet mithilfe des "Hausbrot"-Spin-offs allmorgendlich an zahllosen Wohnungstüren der ganzen Stadt. Und seit Anfang der Woche gibt es am Beginn der Landstraßer Hauptstraße einen Laden, für den Weghaupt eine neue Entwicklungsstufe gezündet hat. Neben den klassischen Joseph-Broten und Gebäck werden hier auch an Ort und Stelle gebackene Baguettes verkauft, die sich vom Start weg an die Spitze der lokalen Baguette-Evolutionskette reihen.

Es gibt allerhand entzückende Törtchen, Eclairs und sonstige Patisserie-Raffinessen, die nicht nur so aussehen, als ob da jemand die enorme Lücke ausfüllen möchte, die der Weggang Pierre Rebouls aus dem Café Central hinterlassen hat - sondern die auch genau so schmecken, nämlich zum Niederknien.

Was sich auch insofern gut ergibt, als es sich bei den Vermietern des Ladens um die Klosterschwestern des nebenan gelegenen St.-Elisabeth-Krankenhauses handelt. Solche Qualität kommt natürlich nicht von irgendwo, sondern aus der Hand von Viola Bachmayr-Heyda, die bei Reboul gelernt hat und zuletzt im portugiesischen Zweisterner Villa Joya unter Vertrag stand. Jubel!

Da wird auch nur mit Brot gekocht

Vor allem aber wurde der Bäckerei ein überaus luftiges Restaurant angeschlossen, wo mit Christian Mezera (Ex-Motto-Catering) und Christoph Fink (Ex-Schwedische-Botschaft) gleich zwei ernstzunehmende Köche beschäftigt und auch sonst ziemliche Maßstäbe gesetzt werden. Bei den Lieferanten etwa, die in Detailarbeit zusammengesucht wurden.

Das fantastische BOA-Beef aus Waidhofen (Weiderinder, rein biologisch, bestes Rindfleisch des Landes) wird in eigens gebauten Kühlräumen trocken gereift. Eier kommen von seltenen Hühnerrassen, die speziell für das Projekt bei allerhand Kleinbauern untergebracht wurden. Gemüse, natürlich ebenfalls bio, kommt von drei Gärtnereien, die seit Monaten gebrieft sind, was sie anbauen sollen.

Die Marmeladen für das Frühstück, Erdbeer und Marille, sind (auch wenn's ein ganz klein wenig euphorisch klingen mag) nur als unpackbar gut zu beschreiben. Überhaupt, das Frühstück: Zwischen armen Rittern (au ja!) und buttergebratenem Brot mit Kräuterspinat, Frischkäse und pochierten Eiern lässt sich hier der Morgen auf eine Art feiern, dass auch eingeschworene Frühstücksmuffel Stielaugen kriegen.

Und sonst? Wird auf inspirierte Art mit dem Hauptingrediens Brot gespielt, bei herausragend saftigem Lammburger ebenso wie bei Brotsalat mit allerhand Gemüse, Gansl mit Brotgewürzen und Ofenquitten oder allerhand ebenso köstlich wie aufwändig belegten Knusperbroten. Alles in allem das Beste, was der Stadt heuer passiert ist - außer der Fuzo auf der Mariahilfer Straße natürlich. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 8.11.2013)