Der Wiener Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres übt scharfe Kritik am Arzt und Team-Stronach-Abgeordneten Marcus Franz. In einem am Montag veröffentlichten offenen Brief stieß er sich an dessen Äußerungen zu Armut, Kinderlosigkeit, Verhütung und vor allem zur Homosexualität. Szekeres fordert Franz auf, diese zurückzuziehen und sich öffentlich zu entschuldigen. Noch ein "paar Tage" will  er dem Team-Stronach-Abgeordneten und Primar am Wiener Hartmann-Spital Zeit geben, sich zu für dessen "gestrige Aussagen" zum Thema Homosexualität, Kinderlosigkeit und Armut zu entschuldigen. Ansonsten will Szekeres seinen Berufskollegen beim Disziplinaranwalt der Österreichischen Ärztekammer wegen "standeswidrigen Verhaltens" anzeigen.

In einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin "Profil" hatte Franz - er ist Primararzt am Wiener Hartmann-Spital, einem Ordenskrankenhaus der Franziskanerinnen von der christlichen Liebe - Homosexualität als amoralisch und als "genetische Anomalie" bezeichnet. Für Szekeres ist das "empörend und inakzeptabel", denn übersetzt bedeute dies, dass Homosexualität für Franz eine angeborene Krankheit sei.

Disziplinaranwalt der Österreichischen Ärztekammer

"Als Wissenschafter, Mediziner und Repräsentant der Ärztekammer fordere ich Sie auf, dieses Statement öffentlich zurückzunehmen", so Szekeres. "Ihre Aussagen wiegen umso schwerer, als Sie nunmehr nicht nur als Arzt, sondern auch als Abgeordneter zum Nationalrat eine besondere Verantwortung tragen. Ich ersuche Sie, in Ruhe zu reflektieren, was Sie formuliert haben, und sich öffentlich zu entschuldigen. Solche Aussagen dürfen in demokratischen Kulturen nicht unwidersprochen bleiben."

Sollte sich Franz nicht öffentlich entschuldigen, werde als Konsequenz eine Anzeige beim Disziplinaranwalt der Österreichischen Ärztekammer wegen standeswidrigen Verhaltens in Erwägung gezogen, heißt es seitens der Wiener Ärztekammer gegenüber derStandard.at. Franz' Äußerungen seien "unsachlich, abwertend und medizinisch nicht haltbar", so Szekeres.

"Moralinsaure Geisteshaltung"

Markus Knopp, Präsident der agpro, der austrian gay professionals, sieht in Franz' Aussagen, "eine moralinsaure Geisteshaltung". Im Zusammenhang mit Homosexualität von einer "amoralischen genetischen Anomalie" zu sprechen und Homosexuelle mit Affen und Hunden gleichzusetzen ist beleidigend und diskriminierend. Die Organisation fordert via Aussendung von Franz ebenfalls eine öffentliche Entschuldigung.

Franz liefert Klarstellung

Eine "Klarstellung", jedoch keine Entschuldigung zu den oben kritisierten Äußerungen übermittelt Franz in einer Aussendung. Darin heißt es: "Ich bin ganz klar gegen jegliche Diskriminierung von Bevölkerungsgruppen. Jeder Mensch soll in seiner Entscheidung über die Form des Zusammenlebens frei sein. Tatsache ist aber, dass es aufgrund der demographischen Entwicklung zu einer Überalterung der Gesellschaft kommt und dadurch unter anderem das Gesundheits- und Sozialsystem in der heutigen Form auf Dauer nicht mehr finanzierbar sein wird. Hier möchte ich wachrütteln und auf die bestehenden Probleme hinweisen", so Franz.

Weiter heißt es: "Das Demonstrationsrecht, für das Generationen gekämpft haben, ist wichtig und muss unangetastet bleiben. Allerdings darf die Demonstrationsfreiheit nicht ständig dazu führen, dass andere Menschen in ihren Freiheitsrechten beschränkt werden. Deshalb wäre eine Verlagerung von Demonstrationen in ein sonst nicht genutztes Gelände durchaus sinnvoll", so Franz.

Für Szekeres bedeutet Franz' Klarstellung "keine Rücknahme der Aussagen und stellt auch keine angemessene Entschuldigung dar", heißt es gegenüber dem derStandard.at.

Kritik aus den eigenen Reihen

Auch die niederösterreichische Landesobfrau des Team Stronach, Renate Heiser-Fischer, ging per Aussendung auf Distanz zu Franz und verwies auf die "liberalen Werte" der Partei.

"Das sind nicht unsere Werte! Wir bekennen uns zu einer offenen und toleranten Gesellschaft, deren Familienplanung auf Freiwilligkeit basiert und deren Umgang mit der sexuellen Ausrichtung anderer von Respekt getragen wird", betonte Heiser-Fischer Richtung Franz und bekannte sich "selbstverständlich auch zu den Grundwerten des Versammlungs- und Demonstrationsrechts".

Die Entstehung von Armut wiederum habe zumeist nichts mit Schuld oder Unschuld zu tun, so die Landeschefin. "Unsere Aufgabe als Politiker ist es in erster Linie hier auf allen Ebenen zu helfen und zu unterstützen und nicht pauschal zu urteilen."

Zuvor hatten die Grünen mit heftiger Ablehnung auf Franz' Aussagen reagiert. Diese seien unglaublich, gefährlich und hätten in der Politik nichts verloren, so Demokratie- und Familiensprecherin Daniela Musiol sowie Bundesrat Marco Schreuder, grüner Sprecher für Lesben, Schwulen und Transgenderpersonen, in einer Aussendung. Die heutige Klarstellung des Abgeordneten sei keine Entschuldigung, sondern "eine weitere abstruse Äußerung, getarnt als Rechtfertigung". (burg, APA, derStandard.at, 4.11.2013)