Ein riesiges Saiteninstrument wird traktiert: "Dingen", eine Arbeit von Paul Wenninger und Peter Jakober. 

Foto: Paul Wenninger

Wien - Zwei Tanzstücke, in denen ganz unterschiedliche Ideen darüber ausgelotet werden, wie Menschen besser miteinander leben können, hat das Festival Wien Modern gerade im Tanzquartier Wien gezeigt. Einmal Democracy von der französischen Choreografin Maud Le Pladec mit Musik von Julia Wolfe, Francesco Filidei und dem Tactus-Ensemble. Und Dingen, eine Kooperation des Choreografen Paul Wenninger mit dem Komponisten Peter Jakober sowie den Performern Raúl Maia und Raphaël Michon.

Um neue soziale Ideologien geht es hier nicht. Sondern eher um das Experiment mit gemeinsamer Arbeit an - so absurd das jetzt auch klingen mag - gemeinsamer Arbeit. Das ist kein überflüssiges Spiel. Denn wir alle kooperieren mit anderen, und das wird in einer effizienzorientierten Arbeitswelt immer "von oben" geregelt.

Ein Oben und Unten gibt es weder bei Dingen noch bei Democracy. Beide Stücke dienen, wie in der darstellenden Kunst üblich, der Herstellung eines gemeinsamen Erlebnisses mit dem Publikum. Dieses Erlebnis ist das eigentliche "Produkt" der künstlerischen Arbeit und ihrer Erzeugnisse. Dabei setzen sowohl Le Pladec und das Tactus Ensemble als auch Wenninger und Jakober an.

Dingen macht das besonders deutlich. In ein enges Bühnenzelt haben Wenninger und Jakober ein gewaltiges Saiteninstrument gesetzt, das angeblich einem archäologischen Fund aus Äthiopien nachgebaut wurde. In rote Arbeitsoveralls gekleidet, arbeiten die Performer mit verschiedenen Geräten Klänge aus diesem "Chordofon" heraus. Offenbar nicht, um ihrem Publikum ein Ständchen zu bringen, sondern um den Akt des Werkens vorzuführen. Hinter einem Plastikfenster sitzen die beiden "Chefs", der Komponist und Choreograf, und scheinen die Klangübertragung mit dem Laptop zu steuern.

In Wirklichkeit steuern alle vier eine Inszenierung für die Zuschauer: Wird das Instrument halten, was seine Größe verspricht? Kann ein Konflikt zwischen den beiden Red-Collar-Arbeitern und den zwei Krawattenträgern im Hintergrund entstehen? Gibt es überhaupt ein "Stück" ? In diesem Zustand des Fragens werden die Zuschauer gehalten - und zwar mit bewundernswerter Konsequenz.

Auch bei Maud Le Pladecs Democracy sind beachtliche "Geräte" am Werk. Ähnlich wie der österreichische Choreograf Chris Haring verschaltet die junge Französin ihre vier Tänzer zu Körperbewegungsmaschinen, die eine Zeitlang nichts anderes erzeugen als symbolische Gemeinschaftswesen. Diese werden mit Schlagzeugspielern, einer Frau und drei Männern des Tactus Ensemble, auf der Bühne zusammengebracht. Le Pladecs Experiment: Kommen diese Parteien über ihre jeweiligen Zuständigkeiten (musizieren und tanzen) hinaus zusammen, ohne von vornherein Abstimmungskompromisse einzugehen? Mit den Worten der Choreografin: "Wie bauen wir eine polemische Gemeinschaft?"

Diese Frage bleibt offen. Trotz der zu stylish geratenen Umsetzung des Stücks können die Tänzer und Musiker zeigen, wann Abweichungen von ihren Zuständigkeiten zu glücklichen oder zu peinlichen Momenten führen. (Helmut Ploebst, DER STANDARD, 4.11.2013)