Nicht alle C. reinhardtii-Stämme gedeihen unter Sauerstoffmangel. Warum das so ist und wie sich die genetischen Programme der Mikroalgen ohne Licht und Sauerstoff verändern, hat nun ein internationales Forscherteam nachgewiesen.

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Scheint die Sonne, dann kurbeln Mikroalgen wie Chlamydomonas reinhardtii ihren Stoffwechsel durch Fotosynthese an. Dabei wandeln sie Licht in Sauerstoff, chemische Energie und Zellbestandteile um. Ist es dagegen dunkel, stellen die Einzeller ihren Stoffwechsel auf Zellatmung um. Dafür wird allerdings Sauerstoff benötigt, der im Erdboden, wo die Alge mitunter lebt, Mangelware ist. Ein internationales Forscherteam berichtet nun in der Zeitschrift "The Plant Cell", wie sich das genetische Programm der Grünalge unter dieser Stressreaktion verändert.

"Sauerstoffmangel ist für Algen und Pflanzen ein größeres Problem, als viele denken", erklärt Anja Hemschemeier von der Ruhr-Universität Bochum (RUB). "Die meisten unserer Kulturpflanzen, wie etwa Kartoffeln, bekommen Probleme, wenn der Erdboden überflutet wird. Dann bekommen die unterirdischen Organe nicht genug Sauerstoff."

Mittels Nukleinsäuresequenzierung gelang es den Wissenschaftern, Schnappschüsse der Grünalgen-Gene unter unterschiedlichen Bedingungen zu machen – einmal mit, einmal ohne Sauerstoff. Aus den Unterschieden konnten sie ableiten, wie die Zellen genetisch reagieren. So veränderte sich die Aktivität von fast 1.500 Genen, wenn die Chlamydomonas-Kulturen von sauerstoffreicher Atmosphäre im Licht in sauerstoffarme Bedingungen im Dunkeln gebracht wurden.

Ökonomisches Programm in harten Zeiten

Bei einer genaueren Analyse der genetischen Veränderungen konnten die  RUB-Forscher einen Trend erkennen: "Anhand der funktionellen Gengruppen kann man ganz deutlich ablesen, dass die Algen auf die Energiekrise strikt ökonomisch reagieren", meint Hemschemeier. "Sie fahren energieaufwendige Prozesse wie die Zellteilung herunter und versuchen gleichzeitig, jede interne Energiequelle anzuzapfen. Sie ähneln in gewisser Weise dem Menschen, der bei Hungerphasen auch auf den Abbau von Kohlenhydraten, Fetten und Eiweißen zurückgreift."

Während diese Anpassungen der Grünalge zu erwarten waren, gab es auch Überraschungen: Trotz des Mangels an Energie bauten die Zellen Fettreserven auf. Dies ist eine bekannte Stressreaktion von Mikroalgen. Allerdings unterscheiden sich die Fette der sauerstofflimitierten Grünalge deutlich von bisher untersuchten und enthalten viele wertvolle ungesättigte Fettsäuren. Die RUB-Wissenschafter nehmen an, dass Chlamydomonas diese Fettsäuren sicher verstaut, um sie bei einem Wechsel zu besseren Bedingungen rasch hervorzaubern und so schneller wieder zum normalen Zellstoffwechsel übergehen zu können.

Unterschiedliche Wege zur Anpassung

Wie genau die Algen merken, dass kein Sauerstoff da ist, und wie sie dann diese Information umsetzen in veränderte genetische Aktivitäten und schließlich den Stoffwechsel anpassen, verstehen die Wissenschafter erst ansatzweise. "Es sieht so aus, dass die Mikroalge verschiedenste Wege nutzt, um den Stoffwechsel an Sauerstoffmangel und Dunkelheit anzupassen", fasst RUB-Forscher Thomas Happe zusammen. Einzelne Aspekte dieser Vorgänge sollen nun im Detail untersucht werden. Die Wissenschafter erhoffen sich dadurch neue Erkenntnisse über Reaktionen von Lebewesen an Sauerstoffmangel, der in so unterschiedlichen Bereichen wie Landwirtschaft, Energieerzeugung und Medizin eine wichtige Rolle spielt. (red, derStandard.at, 31.10.2013)