Tochter, Vater und neue Freundin: "La jalousie" erzählt sehr nuanciert davon, wie es nach einer Trennung weitergeht.

Foto: Viennale

Wenn es darum geht, die Schmerzen der Liebe ins Bild zu setzen, ist der französische Regisseur Philippe Garrel ein Virtuose. Schon die erste Einstellung von La jalousie (Die Eifersucht) macht das deutlich. Es ist eine ruhige Nahaufnahme einer Frau Mitte 30, ein Halbprofil. Ganz langsam treten ihr Tränen in die Augen, es sieht aus, als staue sich die Flüssigkeit unter ihrer Haut, bevor sie austritt.

Währenddessen beginnen ihre Mundwinkel zu flattern, nach und nach nimmt der Schmerz von ihrem Gesicht Besitz. Wenig später erfährt man den Grund der Trauer. Clothilde (Rebecca Convenant) wird von ihrem Partner, einem von Garrels Sohn Louis gespielten Schauspieler, verlassen, weil der sich in eine andere Frau verliebt hat. Das gemeinsame Kind, ein etwa acht Jahre altes Mädchen, wird bei ihr bleiben.

In ruhigen, nüchternen Schwarzweißbildern (Kamera: Willy Kurant) erzählt der Film davon, wie es weitergeht. Wie das Kind am Abend im Flur vor der Wohnungstür sitzt und auf die Frage der Mutter, was es da mache, antwortet: "Ich warte, dass Papa nach Hause kommt." Wie der Vater das Zusammensein mit seiner neuen Freundin Claudia (Anna Mouglalis) genießt. Wie die mit einer anziehenden Reibeisenstimme Gesegnete aus Furcht, ihr neuer Freund sei fortgegangen, alles stehen und liegen lässt, die Treppen zu ihrer winzigen Wohnung hinaufrennt und sich vergewissert, dass er noch da ist.

Die erste Begegnung zwischen Vater, Tochter und neuer Freundin inszeniert Garrel so, dass er sämtliche Nuancen, die dieser heiklen Situation innewohnen, erfasst. Die drei gehen spazieren, es ist kühl. Claudia schenkt dem Kind ihre auffällig gemusterte Wollmütze. Später fragt die Mutter die Tochter möglichst beiläufig, wie das Treffen war. Diese ist clever und lügt, was die Herkunft der Mütze angeht, doch die Mutter ahnt, woher sie kommt. Ein Bravourstück: Auf der einen Seite verbirgt Clothilde den Schmerz, damit sie es dem Kind nicht noch schwerer macht. Dennoch tritt klar zutage, wie viel Mühe sie dieses Verbergen kostet. Der Schmerz ist umso gegenwärtiger, je angestrengter er versteckt wird.

Wie sich die Liebe abnützt

Dabei hat La jalousie etwas angenehm Skizzenhaftes, die Gefühlslagen werden nie so in Szene gesetzt, dass man sich manipuliert fühlte. Beeindruckend ist, wie wenig sich Garrel einer luftigen Idealvorstellung von Liebe verschreibt. Bei ihm ist Liebe immer im Materiellen geerdet, man sieht, wie sie sich in einer engen, schäbigen Wohnung abnützt oder wie die Ambitionen des Einzelnen der Zweisamkeit in die Quere kommen. Die große, unbeantwortete Frage lautet, wie sich Liebe und Leidenschaft unter diesen konkreten, schwierigen Umständen behaupten - oder eben nicht. (Cristina Nord, DER STANDARD, 31.10.2013)