Auf Paganinis Spuren hinein ins Unterholz der TV-Galas und Talkshows: David Garrett wird Kinostar. 

Foto: Regine Hendrich

Wien - Der 33-Jährige ist einer der kommerziell erfolgreichsten Geiger der Gegenwart, bespielt Arenen und mixt Sakkos mit offenen Schaftstiefeln und Klassik mit Coldplay. Bezüglich seiner Medienpräsenz fühlt man sich an das Märchen vom Hasen und vom Igel erinnert: Welche Zeitung und welches Magazin man auch aufschlägt, welche TV-Gala oder Talkshow man auch einschaltet - David Garrett ist schon da. In seinem ersten Kinofilm pendelt der Bienenfleißige als Niccolò Paganini zwischen zerwühlten Bettlaken und Konzertpodien, zwischen Genie und Wahnsinn, immer einen Vorhang an Haaren vor seinem lasziven Blick.

STANDARD: Es gibt reichlich Parallelen zwischen Ihrem Leben und jenem Paganinis, gehen wir einige durch. Erste Übereinstimmung: früher Unterricht durch den Vater.

David Garrett: Ich hab mit vier begonnen, Paganini wahrscheinlich noch etwas früher. Wie bei ihm wurde auch bei mir im Hintergrund mit sehr viel Druck gearbeitet. Aber das ist bei jedem Instrumentalisten oder Sportler so.

STANDARD: Die Konzertreisen: Da war Paganini später dran als Sie.

Garrett: In Italien ist er schon früh herumgereist, aber Paris und London kamen dann erst später als bei mir. Aber heute sind die Möglichkeiten des Reisens ja etwas angenehmer - was aber auch ein Fluch ist, weil du am nächsten Tag überall sein kannst. Da muss man sehr gesund und körperbewusst leben, um das auf lange Sicht hinzubekommen.

STANDARD: Seine Reisen nach Paris und London würden ihn zum Millionär machen, schreibt Paganini in einem Brief - wieder eine Gemeinsamkeit.

Garrett: In meinem Leben waren zwei Sachen immer ganz wichtig für mich: gute Instrumente und eine schöne Wohnung zu haben, in einer schönen Gegend. Ich habe zwar fast nie etwas davon, aber es beruhigt mich innerlich zu wissen, dass ich eine habe.

STANDARD: Wie Sie heute hat Paganini ja damals schon auf ein unverwechselbares Styling Wert gelegt.

Garrett: Styling - das hört sich so manikürt an, so fabriziert. Ich glaube, er hat sich einfach wohlgefühlt in seinen Klamotten, und so ist das bei mir auch. Man muss sich damit identifizieren, was man trägt, und wenn es darüber hinaus die Leute gut finden, dann hat man alles richtig gemacht.

STANDARD: Dann die Eigenkompositionen: Paganinis Stücke sind in den Kanon der Geigenliteratur eingegangen. Sie komponieren auch selbst.

Garrett: Das ist eine große Tradition, die nach Kreisler, Ysaye, Sarasate in der Mitte des 20. Jahrhunderts leider fast verlorengegangen ist. Diese großen Geiger haben sich bemüht, sich selbst und das Instrument für ein großes Publikum interessant zu machen. Und da gehört für mich eben auch dazu, selber Sachen zu schreiben.

STANDARD: Wie viel haben Sie in der letzten Zeit geschrieben?

Garrett: Ich schreibe für jedes Album eigene Arrangements. Jetzt hatte ich natürlich für den Film ein richtig großes Projekt: Ich habe zusammen mit Franck van der Heijden den gesamten Soundtrack arrangiert, das ist auch auf dem Album Garrett vs. Paganini zu hören; die Musik basiert auf Paganinis Themen. Das war eine langwierige, aber auch tolle Aufgabe.

STANDARD: Eine Riesenaufgabe war es für Sie als professioneller Musiker doch sicherlich auch, die Hauptrolle in einem Kinofilm zu spielen. Hatten Sie nicht ordentlich Respekt vor der Zusage?

Garrett: Hätte ich eine Zusage geben müssen, hätte ich mit Sicherheit ein Problem damit gehabt. Aber das ganze Projekt hatte seinen Ursprung in mir. Ich habe mir das Bett sozusagen selbst gemacht, in dem ich dann nachher habe liegen müssen.

STANDARD: Haben Sie Schauspielunterricht genommen?

Garrett: Ja, ich habe Stunden genommen. Der Regisseur Bernard Rose war überzeugt, dass ich das auch ohne Schauspielunterricht hinbekomme. Aber grundsätzlich kenne ich natürlich vieles von dem, was Paganini erlebt hat; dadurch hat sich die Rolle sehr natürlich angefühlt.

STANDARD: Sie haben ja schon mit 15 die Paganini-Capricen aufgenommen - kamen im Zuge der Arbeiten zum Film wieder Erinnerungen an diese Zeit hoch?

Garrett: Ich habe mich seit meiner Kindheit, so wie jeder Geiger, mit Paganini auseinandergesetzt. Die 24 Capricen spiegeln für mich das Beste, das Authentischste von Paganini wider - deswegen sind sehr viele Motive aus der Filmmusik daraus entnommen.

STANDARD: Sie haben vor einem Jahrzehnt mit Crossover begonnen. War es eine Notwendigkeit für Sie, aus dem Käfig Klassik auszubrechen?

Garrett: Für Paganini gab es diesen Käfig ja nicht. Aber es war damals schon für jeden Instrumentalisten wichtig, seine eigene Identität zu finden. Und worüber findet man sie? Dadurch, dass man Sachen kreiert, die anders sind. Man kann die Wertigkeit dieser Sachen nicht selbst bestimmen. Aber man führt das Publikum an ein Instrument heran. Und das kann man, indem man Themen aufgreift, die das Publikum schon kennt, und diese für das Instrument neu gestaltet. Dementsprechend ist das, was ich in meinen Konzerten mache, sehr traditionsverbunden.

STANDARD: Sie treten bemerkenswert viel auf - in klassischen Konzerten, in TV-Galas und Talkshows, Konzertsälen, Arenen. Wie schlüsseln sich diese Auftritte auf?

Garrett: Grundsätzlich: Klassik und Crossover, das ist sicherlich keine leichte Kombination. Manchmal bin ich selbst überrascht, wenn man mir aufzählt, was mein Leben so alles beinhaltet ... Man steht mit den Füßen so leicht über der Klippe, aber man versucht, sich zurückzulehnen ( lacht). (Stefan Ender, DER STANDARD, 30.10.2013)