Sparen, um in der Not etwas zu haben, Geld zurücklegen als Bürgerpflicht oder beiseitelegen für eine schöne Freizeitgestaltung: ein durchaus lückenhafter Streifzug durch die Geschichte des Sparens – unter Verwendung von Material und Fotos aus dem Archiv der Erste Bank und der Sparkassen.

Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not: Einen Notgroschen zur Seite legen ist eine Idee, die dem neunzehnten Jahrhundert entstammt. Heute hat angesichts der mickrigen Zinsen ja eher seine Not, wer spart, zumindest, wenn er Bares zur Seite legt. Das erste Sparbuch Zentraleuropas (im Bild) wurde am 4. Oktober 1819 in Österreich ausgegeben, wie dem Archiv von Erste Bank und Sparkasse zu entnehmen ist.

Das Einlagebuch Nr. 1 der Ersten Oesterreichischen Spar-Casse war das erste von 100 Sparbüchern, die damals "unter würdigen Kindern der unteren Klassen von zwölf bis 15 Jahren" verteilt wurden. Das gestiftete Guthaben von zehn Gulden (heute etwa 140 Euro) mitsamt Zinsen durfte Inhaberin Marie Schwarz erst mit Vollendung des 20. Lebensjahres beheben. 29 Jahre lang wurde kein Kapital zugezahlt, es wurden nur zweimal jährlich die Zinsen nachgetragen. Tatsächlich ließ sich Marie Schwarz im Alter von etwa 45 Jahren ihr Guthaben im Revolutionsjahr 1848 ausbezahlen. Zinsen gab es damals, von denen man heute nur träumen kann: Bei einem Durchschnitts-Zinssatz von vier Prozent per anno war Frau Schwarz' Startkapital auf über 30 Gulden gewachsen.

Foto: Erste Bank und Sparkasse

Spardosen waren damals noch kaum ein Thema. Erst Anfang des 19. Jahrhunderts wurden die ersten Sparkassen gegründet. Wohlgemerkt: Privatbankiers, die im Dienste einer international vernetzten Kaufleuteschaft und sonstiger betuchter Kunden standen, gab es schon länger. Im Zeitraffer: Es war die Zeit, als sich Industrialisierung und die kapitalistische Wirtschaftsweise Bahn brachen. Die Lebensweisen änderten sich teilweise dramatisch. Die Verkehrsrevolution und die Suche nach Arbeit erhöhten die Mobilität. Viele - meist ärmere Menschen - zogen vom Land in die Stadt. Weil es noch keine Sozialversicherung gab, waren sie im Fall von Arbeitsunfähigkeit oft bitterer Not ausgesetzt.

Foto: Erste Bank und Sparkasse

Die Städte wuchsen, mit der Urbanisierung kristallisierten sich städtische Lebensweise heraus. Die Armenfürsorge lag in den Händen der Kirchen und Klöster. Kein Wunder also, dass ein Pfarrer zum Mitbegründer der ersten Sparkasse Zentraleuropas wurde. Johann Baptist Weber (im Bild) hatte zuerst eine Pfarrkasse eingerichtet, die zinsenlose Kredite an bedürftige Bürger vermittelte. In der Wiener Vorstadtgemeinde St. Leopold gründete er im Jahr 1819 mit einem Stammkapital von 10.000 Gulden, heute wären das etwa 140.000 Euro, die Erste Oesterreichische Spar-Casse.

Foto: Erste Bank und Sparkasse

Die Schweizer waren da übrigens voraus. So kümmerte sich die erste, 1787 in Bern gegründete "Dienstenzinskasse" in erster Linie um die Einlagen von Hausangestellten. Allzu viel Erspartes wird es demnach nicht zu betreuen gegeben haben. Nach den Napoleonischen Kriegen verbreitete sich die Institution auch sprunghaft auf dem Land: 1814 existierten neun Sparkassen in der Schweiz. Auch der Wiener Pfarrer Weber verstand seine Sparkasse als "Bank der kleinen Leute". Kleinhändler, Handwerker, Tagelöhner, Dienstboten bestritten damals ihren Lebensunterhalt aus Barvermögen. Was übrig blieb, wanderte in den Sparstrumpf, in die Wäschetruhe oder wurde in die Kleider eingenäht, die man am Leib trug. Eine Bienenkorbspardose wie jene aus dem Jahr 1920 war wohl etwas Besonderes.

Foto: Erste Bank und Sparkasse

Sparkassen sprachen die wenig bemittelten Kreise an. Eingerichtet wurden sie in den Anfangszeiten für städtische Unterschichten. Den "kleinen Leuten" sollte es ermöglicht werden, aus den bescheidenen Ersparnissen Kapital aufzubauen, um es, wie die Statuten der Sparkasse es vorsehen, "in späteren Tagen zur Begründung einer besseren Versorgung, zur Aussteuer, zur Aushilfe in Krankheit, im Alter, oder zur Erreichung irgendeines löblichen Zweckes zu verwenden." Der Zuspruch dürfte die Erwartungen übertroffen haben: Das Pfarrhaus St. Leopold wurde bald zu klein für die wachsende Zahl an Sparern. 1823 folgte deswegen der Umzug in ein Haus am Wiener Graben.

Foto: Erste Bank und Sparkasse

Ganz anders als zu den Zeiten, aus der die Niki-Lauda-Spardose stammt (1979), bedeutete damals der Versuch, den Menschen das Sparen nahezubringen, auch die Suche nach einer Lösung der "sozialen Frage". Denn die Selbstvorsorge sollte auch Gemeinden oder eben die Kirchen vor den Kosten einer Armenunterstützung bewahren. Andererseits hatten die Gründer (so die britische Historikerin Olwen Hufton) disziplinierende Effekte des Sparens im Blick: Sie wollten aufräumen mit den informellen Tauschbeziehungen der Unterklassen im Rahmen von deren "Ökonomie des Notbehelfs". Anders gesagt: Man wollte den Armen in erzieherischer Weise Mittel für ihren "Leichtsinn" entziehen.

Foto: Erste Bank und Sparkasse

Eine ganz andere Schicht bediente hingegen Salomon Meyer Freiherr von Rothschild mit der 1820 eröffneten Vorgängerin der "Creditanstalt". Das Haus fungierte als Wirtschaftsbank und finanzierte große Projekte der Industrialisierung Österreichs und diente grundbesitzenden Adeligen als großer Kreditgeber. 1855 gründete sein Sohn die "k. k. privilegierte Österreichische Credit-Anstalt für Handel und Gewerbe".  Die großen sozialen Probleme als Begleiter der Industrialisierung machten indes auch vor Österreich nicht halt. Hatte sich etwa die Erste bis zum Jahr 1848 erfolgreich entwickelt – auf etwa 100.000 Konten lag ein Vermögen von mehr als 24 Millionen Gulden –, stagnierten die Einlagen nach massenweisen Abhebungen zu Beginn der Unruhen im Revolutionsjahr. Ab den 1860er-Jahren setzte als Auswirkung des "Sparkassenregulativs" von 1844 – erstmals konnten Sparkassen geschaffen werden, für deren Einlagen die Gemeinden hafteten – ein regelrechter Sparkassenboom in ganz Österreich ein.

Foto: Erste Bank und Sparkasse

Wir kürzen die Geschichte ab.  Es kommt eine Zeit, die sich vermutlich auch Zeitgenossen in mancher Hinsicht vorstellen können: 1870 war von einem zunehmend spekulativen Wirtschaftsaufschwung gekennzeichnet. Viel Geld war im Umlauf. Angelegt wurde - nicht auf dem Sparbuch, sondern an der Wiener Börse, was die Banken naturgemäß nicht freute. Erst nach dem Börsenkrach von 1873 (im Bild) kehrten die Anleger reumütig zu den Sparkassen zurück.

Foto: Erste Bank und Sparkasse

Wir überspringen ein paar Jahrzehnte - Massenarmut, erster Weltkrieg, Hyperinflation, Weltwirtschaftskrise, die Ablösung der Krone durch den Schilling. Der erste Weltspartag fand am 31.10.1925 statt und wurde ein Jahr davor auf dem 1. Internationalen Sparkassenkongress in Mailand beschlossen. Federführend: Filippo Ravizza, der damalige Direktor des kurz zuvor gegründeten Weltsparkasseninstituts (World Savings Banks Institute, WSBI). Dieser ersten Veranstaltung wohnten 354 Delegierte aus 27 Ländern bei. Sinn und Zweck: den Menschen das Sparen schmackhaft zu machen. Das war auch bitter nötig, denn Währungsreformen hatten das Vertrauen der Menschen in den Wert des Geldes und vor allem der Geldwertstabilität stark erschüttert.

Im Bild: Eine Sparbüchse aus dem Jahr 1930

Foto: Erste Bank und Sparkasse

Das nationalsozialistische Regime machte Sparen zu einer Verpflichtung für alle "Volksgenossen". Viel beseitezulegen hatten die Menschen aber ohnedies nicht. Woher auch. Die Zeiten wurden nach Kriegs- und Nachkriegsentbehrungen nur langsam besser. Der Sparwille des Nachwuchses war lange Zeit der Autorität von Eltern und Lehrern überlassen. Gespart wurde im Klassenverband – das Schulsparen erfreut sich auch heute vor allem in ländlichen Gebieten großer Beliebtheit – oder unter Aufsicht der Eltern in Heimsparbüchsen, die am Weltspartag respektvoll den Bankbeamten übergeben wurden.

Foto: Erste Bank und Sparkasse

Anfang der 1950er Jahre befand sich Österreich auf dem Weg zu einer zaghaften wirtschaftlichen Erholung. Die heimischen Banken erkannten die Zeichen der Zeit und starteten in diesem Jahr die erste Werbeoffensive nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Alle Institute befanden sich in einer schwierigen Situation. Einerseits waren sie durch die Nachwirkungen der erzwungenen Kriegsfinanzierung noch immer nicht in der Lage, ordnungsgemäß zu bilanzieren, anderseits hatten die Währungsgesetze der Jahre 1945 bis 1948 den Sparwillen der Bevölkerung eher zunichte gemacht.

Foto: Erste Bank und Sparkasse

Es gab praktisch keine Spareinlagen, die Kreditinstitute lebten nur von den Giroeinlagen, denn seit 1938 waren etwa auch die Sparkassen in der Lage, ihren Firmenkunden Geschäftskonten für den bargeldlosen Zahlungsverkehr anzubieten. Doch langsam hielten neue Ideen Einzug: Die erste Sparefroh-Ausgabe stammt zum Beispiel aus dem Jahr 1956. Man dachte wieder ans Vergnügen - auch Sparen sollte dazu gehören. Dafür sorgte seit Mitte der 1950er-Jahre der Sparefroh mit seinem roten Hauberl und den roten Schuhen. Das kleine Männchen sollte aber nicht nur zum nachhaltigen Sparen anregen, er wirkte auch im Kasperltheater mit, trat als Entertainer mit Sparefroh-Songs auf und diente als Lesezeichen und Zuckerlspender.

Foto: Erste Bank und Sparkasse

Man begann die Bevölkerung wieder zum Sparen zu motivieren und führte wieder den Weltspartag ein, der schon zwischen 1925 und 1937 in Österreich "abgehalten" wurde. Ein Selbstläufer war das angesichts der ausgeprägten Antis-Spar-Stimmung der Bevölkerung ganz sicher nicht. "Nie wieder sparen" war bis in die ersten 1950er-Jahre eine feste Überzeugung eines großen Teils der Bevölkerung, die Tageszeitung "Die Presse" schrieb noch 1951: "Die Inflation hat den Sparwillen, aber auch die Sparvernunft getötet. Die teuerste Art des Wirtschaftens, nämlich von der Hand in den Mund leben, scheint immer noch billiger zu sein, als zu sparen."

Foto: Erste Bank und Sparkasse

Den Plakaten dieser Jahre kann man folgende Absichten entnehmen: Vorerst wollte man die Bevölkerung wieder einmal vom Strumpfsparen zum Sparbuchsparen bekehren und ihnen die Angst nehmen, dass das Geld bei den Sparkassen nicht sicher sei. Sparen sollte aber auch einen neuen Sinn bekommen: Nicht nur für Notzeiten sollte man Geld zurücklegen, sondern für eine schöne Freizeitgestaltung.

 

Foto: Plakat Heinz Traimer

Deshalb sind die ersten Plakate vor 60 Jahren - oder auch diese Spardose aus dem Jahr 1952 - unter anderem auch der Fremdenverkehrswerbung gewidmet, womit der Nebenzweck, den ebenfalls am Boden liegenden Tourismus anzukurbeln, erreicht werden sollte. Zuweilen wurde aber auch drastisch gezeigt, welche Folgen eine Sparverweigerung haben könnte: verwahrloste Jugendliche und böses Geldhorten in Schatztruhen und Sparstrümpfen wurde in Schwarz-Weiß-Tönen dargestellt.

Foto: Erste Bank und Sparkasse

Dafür wurden die Werbemotive in den Kinos als Dias vor der damals üblichen Wochenschau und dem Hauptfilm gezeigt. Ab 1953 gab es auch schon kurze Werbefilme für das Sparen. Im Mittelpunkt der Werbung stand natürlich das Sparkassenbuch. Es wurde als Lösung für eine bessere Zeit propagiert. Ohne Sparen kann es keine Kredite geben, und Kredite waren Voraussetzung für Investitionen, den Wohnungsneubau und einen Wirtschaftsaufschwung.

Foto: Erste Bank und Sparkasse

Die Plakate wurden vor allem in den Schaufenstern der Sparkassen gezeigt, die sich bis dahin meist vergittert und unnahbar präsentierten. Durch eine freundlichere Gestaltung sollte auch die Schwellenangst bekämpft werden, denn in den Jahren nach dem Krieg war der Weg in eine Bank oder Sparkasse selten angenehm, weil er meist mit Währungstausch und damit verbundenem Geldverlust verbunden war. Werbung auf Plakatwänden war damals eher selten.

Im Bild: So sah die Sparerzeitung 1966 aus

Foto: Erste Bank und Sparkasse

Der vorsichtige Sparer, Leitfigur der Nachkriegszeit, kehrt jedenfalls angesichts der wirtschaftlichen Lage auf die Bühne zurück – und mit ihm die Sehnsucht nach Sicherheit und überschaubaren Risiken. Doch auch Geldausgeben wurde im städtischen Raum in mancher Hinsicht leichter: Der erste Geldausgabeautomat der Erste-Zentrale am Graben in Wien wurde 1968 seiner Verwendung zugeführt.

Foto: Erste Bank und Sparkasse

An diese Version des Sparefroh können sich die meisten vermutlich schon wieder erinnern. Viele wahrscheinlich auch daran, dass die Menschen wohlhabend wurden, gespart haben für neue Autos, Häuser, Wohnungen, zuerst einen, später mehrere Urlaube im Jahr. Die richtig fetten Jahre – als alles brummte, die Wirtschaft ebenso wie der Privatkonsum und die Vermögen wuchsen und wuchsen – haben alle noch im Kopf. Aber das ist ja nun auch schon wieder ein paar Jährchen her. Die Party ist vorbei. Jetzt ist bekanntlich wieder der Zeitpunkt gekommen, wo die Sparzinsen praktisch nicht mehr der Rede wert sind. Ob die zuletzt doch etwas zur sonderbaren Marotte verkommene Sparsamkeit jetzt ein Revival erlebt? Vielleicht. Retro ist ohnedies in. (rb, derStandard.at, 30.10.2013)

Foto: Erste Bank und Sparkasse