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Mit Allerheiligen greift das Wiener Winterpaket. Rund 5000 Schlafplätze stehen dann zur Verfügung - auch für Nicht-Anspruchsberechtigte, deren Zahl zunimmt, wie Sozialarbeiter beobachten.

Foto: dpa/Paul Zinken

Wien - Wenn sich am Montag Vertreter der Polizei, des Fonds Soziales Wien (FSW) und verschiedener Hilfseinrichtungen am runden Tisch zum Thema Obdachlosigkeit einfinden, geht es eigentlich um einen alten Hut. Denn die Wiener Kampierverordnung, kraft derer Obdachlose vergangene Woche aus dem Stadtpark vertrieben wurden, ist beinahe 30 Jahre alt.

Einst ins Leben gerufen, um jugendliche Tramper dazu zu bringen, in Hostels zu schlafen, wird sie zunehmend auf wohnungslose Menschen angewendet, die im Freien übernachten.

Zuzug aus Ungarn

Die Gründe dafür, die Parkbank einem Notquartier vorzuziehen, reichen von schlechten Erfahrungen in sozialen Einrichtungen über psychische Erkrankungen bis hin zu dem Faktum, dass kein Anspruch auf einen Schlafplatz bei der Wiener Wohnungslosenhilfe besteht. Denn das haben nur in Wien gemeldete Personen. Gesicherte Zahlen gibt es nicht, aber viele Streetworker berichten von einer starken Zunahme von Obdachlosen aus anderen Bundesländern sowie der gesamten EU. Vor allem der Zuzug aus Ungarn, wo Obdachlosigkeit seit Ende September bestraft wird, sei spürbar, sagt eine Sozialarbeiterin der Stadt.

Wurde der Großteil der anspruchslosen Obdachlosen bisher weitgehend geduldet oder maximal mit 20-Euro-Strafen bedacht und verwarnt, verstärken die Behörden augenscheinlich den Druck. Laut einer Strafverfügung, die dem STANDARD vorliegt, muss ein obdachloser Mann 140 Euro Strafe zahlen, weil er im Juni im Esterhazypark übernachtet hat.

Ersatzfreiheitsstrafe verhängt

Wortwörtlich heißt es, der Niederösterreicher habe "einen Schlafsack aufgelegt gehabt und diesen zum Schlafen benützt und somit gegen die Bestimmungen der Kampierverordnung verstoßen". Sollte die Geldstrafe uneinbringlich sein, wird eine "Ersatzfreiheitsstrafe von acht Stunden" über ihn verhängt. Zahlen konnte der Betroffene die Strafe noch nicht.

Ob er ins Gefängnis muss, ist noch offen. Die Anwältin einer Wiener Obdachloseneinrichtung bestätigt, Fälle wie dieser würden sich häufen. Die Stadt Salzburg hat jüngst die Strafen für "illegales Campieren" von 370 auf bis zu 10.000 Euro erhöht. Wer nicht zahlen kann, muss mit bis zu 14 Tagen Haft rechnen.

Birgit Hebein, Sozialsprecherin der Wiener Grünen, weist darauf hin, dass der Strafrahmen in Wien bei bis zu 700 Euro liegt. Es stimme sie bedenklich, dass eine "zweckwidrige Verordnung" in letzter Zeit vermehrt eingesetzt wird. Auch die Caritas drängt darauf, die Kampierverordnung zu evaluieren. Ob es dazu kommt, ist allerdings fraglich. FSW-Chef Peter Hacker hatte erst kürzlich betont, er halte es nicht für sinnvoll, an der Verordnung zu drehen. (Julia Herrnböck, DER STANDARD, 28.10.2013)