Bild nicht mehr verfügbar.

Ein Strohfeld in Deutschland. Der Norden des Landes wurde dank Biogasförderung zur Mais-Monokultur.

Foto: AP/Stefan Rampfel

Für Alexander Jäger liegt die Zukunft im Stroh. Was er damit machen will? Tanken. Jäger ist Biologe an der FH Oberösterreich und arbeitet dort mit seinen Kollegen daran, aus Stroh Treibstoff zu machen. Was seiner Meinung nach viele Vorteile hat: Strohbenzin erzeugt laut ihm 85 Prozent weniger CO2 als herkömmlicher Sprit; es muss nicht aus politisch heiklen Ländern importiert werden; und ausgehen wird es auch nicht. Nun ist Jäger seiner Vision einen Schritt nähergekommen.

Stroh-Ethanol ist einer der populärsten Ansätze, Biotreibstoffe umweltfreundlicher zu machen. Die Idee: Statt etwas zu verheizen, was auch gegessen werden könnte - etwa Mais oder Weizen für konventionellen Biosprit -, sollen Abfälle für die Benzinproduktion verwendet werden. In Jägers Fall Mais- und Weizenstroh, also jene Teile der Pflanze, die übrigbleiben, wenn Kolben und Körner geerntet sind.

Ethanol aus italienischem Schilf

Dabei wird die Zellulose des Strohs zuerst in Traubenzucker umgewandelt und dieser dann von Hefen vergoren und so zu tankbarem Alkohol gemacht. Dank neuer Technik kann Jäger das nun deutlich effektiver und günstiger tun. Andere Forscher arbeiten daran, Kuhmist in Biogas zu verwandeln, Fette für Biodiesel aus Algen zu gewinnen oder altes Speiseöl zu recyceln.

Die International Energy Agency (IEA) geht davon aus, dass Biosprit bis 2050 mehr als ein Viertel des weltweiten Treibstoffbedarfs decken wird, pro Jahr sollen so 21 Gigatonnen CO2 eingespart werden. Zum Vergleich: 2010 wurden weltweit 32,8 Gigatonnen CO2 in die Luft geblasen. Kommt kein Durchbruch bei der Batterietechnologie für Elektroautos, dann könnte 2050 E85 flächendeckend im Einsatz sein, glaubt Jäger, also eine Mischung aus 85 Prozent Biosprit und nur 15 Prozent Benzin. Stroh-Ethanol könnte dabei eine große Rolle spielen.

In den USA, wo fast jedes zweite Maiskorn der Welt wächst, entstehen schon die ersten großen Anlagen zur Stroh-Ethanol-Erzeugung; Brasilien, das bereits jetzt 18 Prozent seines Energiebedarfs mit Biosprit deckt, baut erste Werke für Zuckerrohrstroh; und auch in Europa wurde gerade in Italien das erste Werk für Ethanol aus Schilf fertiggestellt.

Reststoffe sinnvoll verwenden

"Biosprit aus Abfallstoffen ist generell ein großer Fortschritt gegenüber der ersten Generation aus Nahrungsmittel", sagt Helmut Haberl, Professor am Institut für Soziale Ökologie an der Alpen-Adria-Universität in Wien und Mitglied des Intergovernmental Panel on Climate Change der Uno. "Der klassische Biosprit hat teilweise mehr CO2 freigesetzt als konventionelles Benzin. Wir müssen aber auch bei der neuen Generation fragen: Könnte der Reststoff nicht anders sinnvoller verwendet werden? Und braucht der Boden den Abfall, den wir verheizen, zum Erhalt der Fruchtbarkeit?"

Idealerweise lösen Biotreibstoffe aus Abfällen und Algen viele der Probleme, die Kritiker am alten Biosprit bemängelten: Es muss keine zusätzliche intensive Landwirtschaft betrieben werden, bei der beim Düngen Lachgas freigesetzt wird, das 260-mal klimaschädlicher ist als CO2. Sie verdrängen keine Nahrungsmittel, was zu höheren Preisen am Weltmarkt führen kann. Und es müssen dafür auch keine Regenwälder abgeholzt werden. Theoretisch.

Teurer als Benzin

In der Praxis gibt es noch Probleme: Der Sprit ist teurer als Benzin - das vergleichsweise günstige Stroh-Ethanol kostet 75 Cent pro Liter, ein Liter Normalbenzin am Großmarkt in Rotterdam 50 Cent. Oft braucht die Herstellung mehr Energie, als der Treibstoff liefert: Bei Algen liegt die Quote derzeit noch bei etwa 5:1. Zudem kann auch Sprit aus Reststoffen zu Monokulturen und Verdrängungseffekten führen. Und in einer Studie stellte ein wissenschaftlicher Beirat der deutschen Regierung fest, dass es energetisch fast immer besser ist, Bioreststoffe direkt zu verbrennen, als sie in Sprit umzuwandeln.

"Es gibt nicht die eine richtige Technik", sagt Haberl. "Man muss sich immer genau anschauen, was wo funktioniert. Ethanol aus Zuckerrohr ohne Regenwaldabholzung in Brasilien ist eine Erfolgsgeschichte. Es wächst sehr schnell und bringt Kohlenstoff in den Boden. In Norddeutschland hingegen wurde die ganze Landschaft wegen der Biogasförderung mit Mais zugepflastert, eine Katastrophe."

Jäger ist sich der Probleme bewusst. Bei Stroh-Ethanol liegt die Energiequote aber bereits bei 1:2, ein vergleichsweise guter Wert. Stroh kann nicht so einfach verbrannt werden, weil sich dabei Schlacke bildet, die die Brennöfen angreift. Es ist im Überfluss vorhanden - laut Jäger würde bereits die Hälfte des österreichischen Strohs ausreichen, um das Land mit E10 zu versorgen. "Und", sagt er, "es ist nun einmal so, dass wir derzeit flüssige Treibstoffe brauchen und nicht nur solche für Wärmekraftwerke." In manchen Branchen, etwa der Luftfahrt, wird sich das auch nie ändern.

Kritiker befürchten beim Stroh-Ethanol allerdings negative Folgen für die Felder: Weil das Stroh entfernt wird und nicht verrotten darf, wird dem Boden Kohlenstoff entzogen, was seine Fruchtbarkeit einschränken kann. Dank industrieller Landwirtschaft ist das aber oft schon üblich. Landwirte haben es immer schon geerntet und in die Viehställe getragen. Erst dann kam es, gemischt mit Mist, zurück auf die Felder. Die Mikroorganismen im Mist sorgten dafür, dass es kompostierte und den Boden düngte. In einer viehlosen Landwirtschaft hat sich das erledigt.

Was verhindert dann noch den Durchbruch des Strohethanols? Die Politik und der Konsument, ist Jäger überzeugt. In Deutschland blieben die Tankstellen nach der Einführung auf ihrem E10 sitzen, in Österreich wurde das Benzin 2012 doch nicht eingeführt. Zu negativ war das Image des Biosprits nach Kampagnen von NGOs und Autofahrer-Clubs, die vor Motorschäden warnten. In der Folge stimmte das EU-Parlament im vergangenen Sommer dafür, den vorgeschriebenen Anteil an Biosprit nicht, wie 2007 beschlossen, auf 20 Prozent zu erhöhen. Stattdessen soll es bloß eine Quote von 10 Prozent an "erneuerbaren Energien" geben. "Das ist ein rein politisches Problem", sagt Jäger. "Die Mineralölkonzerne haben kein Interesse am Biosprit, und die Finanzminister wollen ihn nicht, weil er oft steuerbegünstigt ist."

Auch er räumt ein, dass Biosprit keine Allheillösung ist: "Wir können auch mit ihm nicht weiter Auto fahren wie bisher", sagt er, "aber Biosprit kann einiges zum Klimaschutz beitragen." Bei einer flächendeckenden Verwendung von E10 etwa würden Autos sieben Prozent weniger CO2 ausstoßen. Skeptischer sieht das Nachhaltigkeitsforscher Haberl: "Biosprit allein kann den Verkehrssektor nicht zukunftstauglich machen", sagt er. "Da braucht es andere Wege, weg von der Straße."

Debatte wie beim Atommüll

Wer einen Temperaturanstieg um mehr als zwei Grad verhindern will, braucht eine Technologie, die nicht nur kein CO2 ausstößt, sondern es auch aus der Atmosphäre entfernt: die Kohlenstoff-Sequestrierung. Biomasse wird dabei zur Stromerzeugung verbrannt, das CO2 gespeichert und anschließend in Endlager verbracht. Weil die Pflanzen beim Wachsen CO2 gebunden haben, wird es so aus der Atmosphäre entfernt. Die CO2-Einlagerung ist aber sehr umstritten: "Da haben wir dann eine Risikodiskussion", sagt Haberl - ähnlich wie beim Atommüll. "Das letzte Wort in dieser Debatte ist nicht gesprochen." (Tobias Müller, DER STANDARD, 23.10.2013)