Schulen mit einem hohen Anteil an Migranten stehen vor besonderen Herausforderungen. Eine davon ist, Freundschaften zwischen Schülern zu fördern, die aus unterschiedlichen Kulturkreisen stammen.

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Schulklassen mit hohem "Ausländeranteil" sind zum politischen Kampfplatz geworden. In der Schule wird aber auch das gesellschaftliche Zusammenleben von morgen verhandelt. Dort entscheidet sich, ob eine heranwachsende Generation die unsichtbaren Mauern zwischen den Kulturen niederreißt oder zementiert. Ob das Nebeneinander zum Miteinander wird. Die Frage, in welchem Verhältnis Murat, Milena und Lukas in der Klasse zueinander stehen, versucht auch die Wissenschaft zu beantworten. Sie sucht nach Strategien, wie man die Akzeptanz unter Einheimischen und Zuwanderern in den Bildungsstätten fördern kann.

Auch die Psychologin Dagmar Strohmeier beschäftigt sich mit diesem Thema. Die Leiterin der seit 2011 bestehenden Plattform Interkulturalität an der Fachhochschule Oberösterreich ist mit ihrer Kollegin Elisabeth Stefanek der Frage nachgegangen, welche Faktoren dazu beitragen, dass in den Klassen interkulturelle Freundschaften entstehen. Sind Jugendliche aus einem bestimmten Kulturkreis kontaktfreudiger als andere? Spielen Alter, Geschlecht oder Nationalstolz eine Rolle?

Für das Projekt von Strohmeier und Stefanek füllten über 600 Kinder aus 36 Schulkassen im Alter zwischen 13 und 17 Jahren Fragebögen aus. Sie machten Angaben zu ihrer Herkunft, ihrer Erstsprache und wie sie zu ihrem Heimatland stehen. Sie erklärten, ob sie Erfahrungen mit Ausgrenzung gemacht hatten und wen sie zu ihren Freunden zählen.

"Wir haben die individuellen Eigenschaften gemeinsam mit den Klasseneigenschaften untersucht", erklärt Strohmeier. "Man darf die Schüler und Schülerinnen nicht losgelöst von ihrer Umgebung betrachten." Freundschaft braucht Gelegenheit, die kulturelle Vielfalt der Klassen müsse also berücksichtigt werden: "Wir haben uns Klassen angesehen, die sprachlich eher homogen sind, und solche, in denen 25 Kinder 17 Sprachen sprechen."

Vielfalt und Isolation

Im Zusammenhang mit der Vielfalt in den Klassenzimmern steht auch eine der erstaunlichsten Erkenntnisse der Studie: "Je vielfältiger die Klasse, desto weniger wahrscheinlich war es, dass es interkulturelle Freundschaften gab", sagt Strohmeier. Wenn die Diversität sehr hoch ist, könnte bei den Kindern gerade deshalb ein Bedürfnis nach Ähnlichkeit entstehen, und die sozialen Beziehungen sehen dann anders aus als in einem "mitteldiversen Kontext", erklärt die Forscherin. Zudem gewinnt in sprachlich sehr heterogenen Klassen die gemeinsame Sprache an Bedeutung.

Bei den individuellen Eigenschaften der Kinder führte etwa die Frage nach dem Nationalstolz zu einem signifikanten Ergebnis: "Wenn Schüler sich stark mit der eigenen Kultur identifizieren, sinkt die Wahrscheinlichkeit interkultureller Freundschaft", erklärt Strohmeier das Studienergebnis. Offenbar bestimmt der Kulturkreis, aus dem die Schüler stammen, zum Teil auch ihre Freundschaftsvorlieben - zumindest ist das laut der Studie bei Heranwachsenden, die aus den Nachfolgestaaten Jugoslawiens kommen, der Fall: "Jugendliche, die Bosnisch, Serbisch oder Kroatisch als Muttersprache haben, neigen dazu, auch Freunde zu haben, die eine Sprache des früheren Jugoslawien sprechen", sagt Strohmeier. Serbische Jugendliche verbindet demnach - trotz jüngster Kriegsvergangenheit - eher eine Freundschaft mit kroatischen als mit türkischen oder österreichischen Schülern. "Sie geben auch selbst BKS für Bosnisch/Kroatisch/Serbisch als Muttersprache an und tendieren dazu, unter sich zu bleiben."

Gruppenarbeit fördern

Grundsätzlich gelte aber: Je mehr Freunde ein Jugendlicher oder eine Jugendliche hat, desto eher hat er oder sie eine interkulturelle Freundschaft. Bei der Untersuchung sei unberücksichtigt geblieben, welche Freundschaftsdefinition das Kind habe: "Manche sagen zu jedem Freund, andere sind wählerisch." Die Schüler würden sich auch nicht immer gegenseitig als Freunde nominieren. Geschlecht und Alter hätten, anders als man vermuten könnte, keinen Einfluss, sagt Strohmeier. Mädchen hätten nicht mehr interkulturelle Freundschaften als Buben, Jüngere nicht mehr als Ältere. Selbst Jugendliche der zweiten Zuwanderergeneration hätten nicht mehr als jene der ersten Generation.

Was kann also in der Schule getan werden, damit mehr interkulturelle Freundschaften entstehen? "Gruppenarbeiten sorgen für Kontakte und geben eine gemeinsame Aufgabe, ein gemeinsames Ziel vor", sagt Strohmeier. "Freundschaften entstehen nicht von selbst. Wichtig ist, dass die Lehrer nicht Unterschiede, sondern Ähnlichkeiten betonen." (Alois Pumhösel, DER STANDARD, 23.10.2013)