Ziemlich geschafft, aber frei wie nie zuvor: Konstantin Filippou ist Herr im eigenen Haus - und allabendlich ausreserviert.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Filippou kocht hochindividuelle Autorenküche, derzeit etwa Seesaibling mit Räucheraal, Artischocken und Kapuzinerkresse.

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Schnecken auf Schwarzwurzeln mit Hühnerherzen, Erbsen und Labneh.

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Das Konstantin Filippou liegt in einer ziemlich toten Ecke des ersten Bezirks, dort, wo die Dominikanerbastei in Richtung Donaukanal absinkt. Seit der Gastgarten nicht mehr genutzt werden kann, läuft man leicht an dem Lokal vorbei, so zurückgenommen und diskret sieht es von außen aus.

Innen aber sind Mittag wie Abend alle Tische besetzt. Wer nicht Tage vorher reserviert, wird hier kaum einen Platz bekommen. Es gibt nicht viele Restaurants in der österreichischen Hauptstadt, wo das der Fall ist - und schon gar nicht solche, wo der Gast nur die Wahl zwischen einem Vier- und einem Sechs-Gänge-Menü hat, das noch dazu nur tischweise serviert wird.

Anders als erwartet

Das Restaurant von Koch und Betreiber Konstantin Filippou ist in mancher Hinsicht anders, als das in Wien bislang erwartet werden durfte. Gault Millau hat Filippou in seiner eben erschienenen Ausgabe mit drei Hauben eingestuft, bei einem erstmals besprochenen Lokal gilt das als mehr als bemerkenswert.

Neben dem Publikumserfolg gebührt diese Auszeichnung dem aus Graz stammenden Koch wohl auch für seinen Mut. Es ist nämlich schon verdammt lange her, dass sich ein Küchenchef in der Hauptstadt selbstständig gemacht hat, um fordernde, kreative Autorenküche zu bieten - vielleicht auch, weil dies vom lokalen Mainstream seit je eher als Zumutung denn als willkommene Bereicherung kommentiert wird.

Vorauseilende Skepsis

Filippou durfte das schon während der Bauarbeiten erfahren: "Es war erstaunlich, wie viel Skepsis mir von Kollegen entgegengeschlagen ist", sagt er. "Die Sicherheit etwa, mit der mir mitgeteilt wurde, dass ich 'unter 500.000 Euro' gar nicht anzufangen brauche, an ein eigenes Lokal zu denken. Oder dass ein Fine-Dining-Restaurant, das nur zwei Menüs und kein À-la-carte-Angebot bietet, in Wien 'nie eine Chance' haben werde."

Umso erfreulicher, dass die Gäste das anders sehen und bislang nie über die Kartengestaltung geklagt haben: "Die Leute informieren sich, bevor sie in ein Restaurant wie das unsere kommen, die wissen, was sie erwartet." Besonders freuen Filippou die jetzt schon zahlreichen Berichte in internationalen Medien, in Japan und Australien etwa, aber auch in England oder Norwegen - "Wien-Tourismus schickt uns immer wieder Journalisten, die nach spannenden Restaurants fragen".

Gut 30 Prozent der Gäste seien deshalb jetzt schon Ortsfremde. Einen, den das gar nicht wundert, ist der unbestrittene Topchef des Landes, Heinz Reitbauer: "Filippou ist gescheit, er kann Gastronomie denken. Außerdem war er früh und viel im Ausland unterwegs, auch in Spanien. Das zahlt sich immer aus. Und: Er kann kochen."

Der Koch als kreativer Partner

Viele Kollegen tendieren dazu, den Gast zu unterschätzen, meint der derart Hochgelobte, was dazu führe, dass hier im internationalen Vergleich oft mutlos agiert und immer noch versucht werde, es allen recht zu machen. "Klar ist es als Restaurantbetreiber riskant, den Koch als kreativen Partner zu verstehen und gemeinsam etwas zu wagen."

Andererseits aber bemerkt Filippou, um wie viel wertvoller Mitarbeiter sind, die sich einbringen dürfen: "Wir sind nur im Team stark, ich verlange, dass jeder einen Teil der Idee beisteuert, die wir gemeinsam darstellen."

Seine Partner, ob Souschefin Theresia Palmetzhofer, Rôtisseur Andres Stirn, Sommelier Leo Kiem oder Restaurantleiter Harald Ulbinger, seien nicht nur mit extremer Konzentration im Einsatz, sie sollen auch mitdefinieren, wohin die Reise gehe. Ein wenig merkt man das auch als Gast: So frohgemut und konzentriert, wie hier vom Tableauträger bis zum Sommelier agiert wird, macht das schon vor dem ersten Bissen Freude.

"Nie im Leben so frei gefühlt"

Dass einmal die Woche ein Englischlehrer im Haus ist, um mit der Mannschaft zu trainieren, darf ebenso als Hinweis verstanden werden, wie lebendig Teamarbeit hier verstanden wird, wie der Umstand, dass das Untergeschoß von Koch und Team gemeinsam ausgemalt wurde. "Dabei habe ich den Maler schon angerufen gehabt, als plötzlich die Burschen vor mir stehen und meinen: ,Heast bitte, Chef, das mach ma doch mit links.'" Nicht dass Filippou deshalb in Rührung ausbräche, aber man merkt, wie sehr es ihn freut.

Bei der Frage, ob der Erfolg seines Abenteuers nicht auch ein Anstoß für Kollegen sein sollte, sich auf das Wagnis Selbstständigkeit einzulassen, wirkt er dennoch reserviert: "Das kann nur jeder für sich entscheiden. Ich habe jetzt unglaublich viel mehr Druck als vorher. Aber ich habe mich auch nie im Leben so frei gefühlt. Nur: Ohne meine Frau Manuela, die von Anfang an hinter diesem Plan gestanden ist und jeden Abend nach ihrem Fulltimejob hier dafür sorgt, dass im Hintergrund alles funktioniert, würde sich der Spaß niemals ausgehen. Da hab ich wohl einfach Glück gehabt." (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 25.10.2013)