Madrid/Budapest/Wien - In vielen Ländern Europas steigt, verschärft durch die Wirtschaftskrise, die Zahl der Obdachlosen. Parallel beobachten europäische Sozialverbände mit Sorge, wie viele Städte den Wohnungslosen das Leben erschweren, in dem sie ihre Verordnungen verschärfen.

Für Proteste und Entsetzen sorgt seit einigen Monaten besonders der Kurs, den die ungarische Regierung eingeschlagen hat. Ein Ende September verabschiedetes Gesetz erlaubt Gemeinden künftig die Schaffung "obdachlosenfreier Zonen" und verbannt Wohnungslose von touristischen Plätzen und Straßen. Obwohl das Verfassungsgericht bereits vor zwei Jahren erklärte, Obdachlosigkeit sei keine Straftat, drohen verpflichtende gemeinnützige Arbeit, Geldstrafen und letztlich sogar Gefängnis.

Mit großer Mehrheit (240 zu 82) entscheiden die Abgeordneten auch, dass Obdachlose künftig keine Hütten mehr bauen dürfen, um etwa gegen die Kälte geschützt zu sein. Doch Ungarn hat derzeit nur 10.000 Plätze in Obdachlosenheimen - bei bis zu 35.000 Betroffenen, schätzt die Uno.

Um das umstrittene Gesetz erst möglich zu machen, änderte die Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán im Februar sogar die Verfassung. Ein Bündnis ungarischer Bürgerrechtsgruppen hat angekündigt, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anzurufen. Auch vonseiten des Europarats wurde Ungarns Obdachlosenpolitik kritisiert.

1500 Euro Strafe fürs Betteln

Neben Ungarn verschärft auch Spanien aktuell die Gangart gegen Obdachlose. Mit Jahresbeginn 2014 tritt die neue "Verordnung über das Zusammenleben im öffentlichen Raum" in Kraft: Strafen von 1500 Euro für Bettelnde mit Kind sowie unerlaubtes Campieren im öffentlichen Raum - was sich nicht nur gegen Obdachlose, sondern auch gegen die Protestbewegung 15-M richtet - werden dann spruchreif.

Autofensterputzer, Parkplatzanweiser und Straßenkünstler ohne Lizenz müssen ebenfalls bis zu 750 Euro Strafe zahlen, wenn sie erwischt werden. "Nur Franco strafte härter", titelte der Independent über die Reform von Madrids Bürgermeisterin Ana Botellas vom Partido Popular und verglich ihre Reform mit dem seit 1948 in weiten Teilen Spaniens gültigen Polizei- und Good-Governance-Gesetz.

Die Verordnung strafe in erster Linie Bedürftige und Arme, kritisieren zahlreiche karitative NGOs und Behörden. "Wir werden zu Eintreibern", kritisiert Julián Leal, Gewerkschaftssprecher der Lokalpolizei: "Warum sollen wir jemanden bestrafen, der um Geld für Essen bittet?" (juh, jam)

 

(juh; jam, DER STANDARD, 23.10.2013)