Bild: Deutsches Forschungsschiff Heincke vor der nordöstlichen Küste Spitzbergens.

Foto: K. Bär/Alfred-Wegener-Institut

Bremerhaven - Der Atlantische Kabeljau ist im Zuge des Klimawandels so weit Richtung Norden gewandert, dass er inzwischen sogar in den Gewässern Spitzbergens in großen Mengen vorkommt. Dies berichten Biologen des Alfred-Wegener-Institutes für Polar- und Meeresforschung (AWI) nach einer Expedition in jenes arktische Meeresgebiet, das einst vom Polardorsch dominiert wurde. Die Wissenschafter wollen jetzt untersuchen, ob zwischen den beiden Dorscharten ein Konkurrenzkampf entsteht und welche sich besser an die veränderten Lebensbedingungen in der Arktis anpassen kann.

Wassertemperatur entscheidend

Als die Forscher im August dieses Jahres mit dem deutschen Forschungsschiff Heincke die Gewässer vor der nordöstlichen Küste Spitzbergens erreichten, um in Höhe des 80. Breitengrades junge Atlantische Kabeljaue und Polardorsche zu fangen, zeigte das Thermometer eine Wassertemperatur von 4,5 Grad Celsius an. Viel zu warm für den Polardorsch, der Temperaturen um 0 Grad Celsius bevorzugt. "Diese warmen Wassermassen stammen aus dem Atlantik und überlagern in den Sommermonaten die kalten arktischen Wassermassen aus der Barentssee in den Fjorden", sagt Felix Mark, Leiter der Arktis-Expedition.

Der erste Fang bestätigt die grundlegender Veränderungen in der Arktis noch einmal: Statt Polardorschen zappelten hauptsächlich junge Kabeljaue im Netz. "Die steigenden Wassertemperaturen führen dazu, dass der Atlantische Kabeljau hier optimale Lebensbedingungen vorfindet. Wir gehen davon aus, dass diese Art, die einst auch in der Nordsee heimisch war, schon jetzt das wärmere Oberflächenwasser rund um Spitzbergen dominiert", sagt Mark.

Faktor Ozeanversauerung

Für ihn stellt sich jetzt die Frage, ob und in welchem Ausmaß der Atlantische Kabeljau und der Polardorsch in einem Konkurrenzkampf zueinander stehen und inwiefern auch die zunehmende Versauerung des Meeres eine mögliche Rivalität beeinflusst. "Die Ozeanversauerung wirkt sich vermutlich nicht nur auf die Körperfunktionen beider Fischarten aus, sie beeinflusst auch ihre Beutetiere", so der Biologe.

Während der Kabeljau Jagd auf verschiedene Ruderfußkrebse, Flügelschnecken und kleine Fische macht, ernährt sich der Polardorsch nur von bestimmten Krebsarten. Würden deren Verbreitung durch die zunehmende Versauerung der arktischen Gewässer abnehmen, hätte der Polardorsch das Nachsehen. Die Forscher fingen deshalb Kabeljaue, Polardorsche Ruderfußkrebse und brachten die lebenden Tiere nach Bremerhaven. "Erst so haben wir die Chance, im Labor zu untersuchen, wie die Fische und das Zooplankton auf einen sinkenden pH-Wert des Wassers reagieren", erklärt Mark.

Weitreichende Folgen befürchtet

Die Biologen vermuten, dass sich der Kabeljau besser an das saurer werdende Wasser anpassen kann und auf diese Weise künftig in der Lage sein wird, den Polardorsch aus dem gemeinsamen Lebensraum zu verdrängen. Eine solche Entwicklung hätte weitreichende Folgen für das arktische Ökosystem, denn der Polardorsch ist ein wichtiger Nahrungsbestandteil zahlreicher Tiere.

Die Untersuchungensind Teil des deutschen Forschungsprojektes zur Ozeanversauerung, BIOACID. Der Name steht für „Biological Impacts of Ocean Acidification". Im Rahmen des Projekts untersuchen insgesamt 14 Institute, wie marine Lebensgemeinschaften auf Ozeanversauerung reagieren und welche Konsequenzen dies für das Nahrungsnetz, die Stoff- und Energieumsätze im Meer sowie für Wirtschaft und Gesellschaft hat. (red, derStandard.at, 18.10.2013)