Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: AP/Schreiber

Als einer, der grundsätzlich an die Macht von Marktkräften glaubt, bin ich ein großer Befürworter des ethisch bewussten Einkaufens. Durch ihre Kaufentscheidungen können Verbraucher, wenn ihre Zahl groß genug ist, oft mehr bewirken als durch jedes andere politische Engagement.

Allerdings zweifle ich an dem meisten, was derzeit unter ethischen Produkten angeboten wird. Bio ist vor allem eine geschickte Marketingstrategie – nicht immer gesünder oder unbedingt besser für die Umwelt, aber auf jeden Fall teurer. Was Biomärkte für einfaches Obst verlangen, ist schon erstaunlich.

Vor allem aber würde eine weltweite Umstellung auf biologische Landwirtschaft die Hungerprobleme in der Welt nur weiter verschärfen. Ohne Einsatz von Kunstdünger und Pestiziden lassen sich sieben Milliarden Menschen nicht ernähren.

Zweifel an Fairtrade

Fairtrade-Produkte sind da schon um einiges besser, aber auch da Teile ich die Zweifel mancher Kritiker. Fairtrade kommt einer kleinen Gruppe von gut vernetzten Bauern in Entwicklungsländern mit einem etwas höheren Einkommen zugute. Das System beruht auf Kooperativen, die ihren Mitgliedern Vorteile bringen, aber oft für Korruption und Misswirtschaft anfällig sind.

Und auch bei Fairtrade-Produkten  besteht die Gefahr, dass man vor allem für Marketing bezahlt. Vor allem drohen bei Fairtrade immer die ärmsten Produktionsstätten, die den Kriterien nicht entsprechen können, unter die Räder zu kommen.

Ein Drittel geht verloren

Es gibt andere Einkaufsentscheidungen, die mehr Gutes bewirken können – nämlich jene, die dazu beitragen, dass weltweit weniger Lebensmittel verschwendet werden. 1,3 Milliarden Tonnen an landwirtschaftlichen Produkten gehen laut der UN-Welternährungsorganisation FAO jedes Jahr verloren. Das ist ein Drittel der weltweiten Produktion mit einem Marktwert von 555 Milliarden Euro.

Und der indirekte Schaden für Umwelt und Klima durch sinnlose Landwirtschaft ist noch viel höher. Wer das stoppen oder zumindest reduzieren kann, trägt am meisten dazu bei, dass Hunger und Umweltzerstörung abnimmt und die weltweiten Ressourcen effektiver eingesetzt werden.

Mehr als die Hälfte geht bei der Produktion verloren – es verrottet auf den Feldern oder während des Transports und der Lagerung. Um das zu verbessern, brauchen die Entwicklungsländer moderne Technologien für Logistik und Infrastruktur.

Der wirkungsvollste Beitrag zur Erhöhung der Lebensmittelsicherheit in einem Land wie Indien ist die Öffnung seiner Märkte für große westliche Handelsketten wie Tesco und Carrefour, die lückenlose gekühlte Lieferketten bieten können. Dies läuft erst jetzt langsam an. Denn der Widerstand der kleinen indischen Kaufleute hat diese Marktöffnung jahrelang blockiert und lässt bis heute Millionen Landsleute hungern.

Ästhetische Verschwendung

Der andere Teil verschwindet näher bei  den Verbrauchern. Unverbrauchte Lebensmittel werden in der Gastronomie am Ende des Tages weggeschmissen, weil sie dann vielleicht nicht mehr ganz frisch sind, und ebenso im Handel. Aber die größte Verschwendung betrifft jenes Obst und Gemüse, das gar nicht erst zum Verkauf kommt, weil es ästhetischen Ansprüchen nicht genügt.

Das ist absurd. Die Form einer Gurke oder eines Apfels sagt nichts über Qualität und Geschmack aus. Wer die Chance hat, sich gegen diese Zwangsbeglückung zu stellen, kann als Verbraucher doppelt besser aussteigen: Er zahlt etwas weniger und bekommt oft ein besseres Produkt.

Doch diese Gelegenheit bietet sich im Handel noch sehr selten, am ehesten durch preisreduzierte, fast abgelaufene Produkte, die zu kaufen jedenfalls ein positiver Beitrag ist. 

Seltene "Wunderlinge"

Seit kurzem werden bei Billa anders geformte Karotten und Gurken als „Wunderlinge“ verkauft (Äpfel habe ich noch keine entdeckt). Dies ist zumindest ein Anfang. 

Aber dass die non-konformen Gurken mehr Kosten als die normalen, ist nicht der Sinn der Sache. Es geht nicht um ein Sonderprodukt für Exzentriker, sondern um eine neue Art des breiten Konsumverhaltens.

Her mit den Superhühnern

Ähnlich ist es mit jenen Superhühnern, die ein deutscher Wissenschaftler gezüchtet hat und die sich sowohl für Eier- und Fleischproduktion eignen. Damit kann der verschwenderische Massenmord an männlichen Küken verhindert werden, die aus den reinen Eierzuchtlinien stammen. Das ist ethisch und ökonomisch vorteilhaft, scheitert bisher allerdings daran, dass die Eier kleiner und das Fleisch der Hühner mehr Keule als Brust bietet – und deshalb in deutschen Supermärkten meist liegenbleibt.

Nicht nur, weil mir und meiner Familie dunkle Hendlhaxen grundsätzlich besser schmecken: Ich hoffe, dass Eier und Fleisch von diesen Hühnern bald in Österreich in den Handel kommen – und dass viele Verbraucher begreifen: Was hässlich ist, ist besonders gut. (Eric Frey, derStandard.at, 16.10.2013)