Lothar Trierenberg macht aus Kaffeehausbesuchern keine Möbelkäufer: Zu unterschiedlich seien die Absichten der beiden, und Einrichtungsberatung mit Gastroatmosphäre im Hintergrund sei eben nicht jedermanns Sache, sinniert der Musikpädagoge. Neue Wege im Handel aufgezeigt hat er dennoch. 15 Jahre ist es her, dass er in Wien "das möbel" eröffnete, ein Café, in dem Gäste wechselnd ausgestellte Möbel und Einrichtungsgegenstände auf Bestellung kaufen können. Zum Selbstläufer sei es nie geworden, doch es war ein Türöffner und Mittel der Kommunikation, erinnert sich Trierenberg. "Anders wären wir nie von Beginn an so rasch bekannt geworden."

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Dass sich sein Verkaufsmodell locker auf eine andere Branche übertragen lässt, glaubt er nicht. Dafür bediene er eine zu kleine Nische. Wiewohl er sich mit ihr gut gegen die Flut an Konkurrenten abgrenzen könne. Der Trend, sich in Geschäften beraten zu lassen, um anschließend günstiger online zu kaufen, habe sich zumindest im Möbelhandel zu dessen Gunsten gedreht, ist er überzeugt. Kunden informierten sich übers Web, suchten sich dort gezielt Betriebe, um Design schließlich an Ort und Stelle zu erwerben. Der Schlüssel fürs wirtschaftliche Überleben seien Möbel, die eben nicht an jeder Ecke zu haben seien.

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Österreichs Handel steckt im Umbruch. Marktforscher prophezeien, dass in fünf Jahren 20 bis 30 Prozent aller Einkäufe übers Internet getätigt werden. Innovative Technologien und Logistik treiben die Entwicklung. Händler, die das Spiel auf mehreren Verkaufskanälen nicht beherrschen, verlieren an Boden. Und Patentlösungen, um stationäre Geschäfte am Leben zu erhalten und nicht zu teuren Ausstellungshallen zu degradieren, gibt es keine. Experimentiert, gewagt und gesät wird freilich emsig, und manches davon geht quer durch die Branchen auf.

Als bedrohte Spezies sehen sich etwa die Apotheker. Noch machen ihnen billige Onlinehändler und Drogerieketten in Österreich nur bedingt Konkurrenz. Fallen die Schranken für den Verkauf rezeptpflichtiger Medikamente, ist es um die finanzielle Gesundheit vieler eingesessener Pharmazeuten freilich geschehen. In Deutschland sind Apotheken nun dabei, ihre Geschäftsflächen kräftig auszubauen und sich als Wohlfühl-Center wie Gesundheitsberater zu präsentieren, berichtet das Magazin "Brand eins". 2,3 Milliarden Euro soll ihnen das Zubrot, von Kosmetik über Süßwaren bis Tees und Knieschonern, im Vorjahr gebracht haben, ein Umsatzanteil von mehr als fünf Prozent.

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Die Zeit drängt: Junge Mitbewerber wie Easy Apotheke wollen Medikamente in mobilen Containern vor großen Verbrauchermärkten vertreiben. Bis zu zwanzig Module sollen laut "Wirtschaftswoche" in Deutschland bald jährlich auf Parkplätzen um Kunden buhlen. Anders als in Österreich ist der Gebietsschutz in Deutschland längst gefallen. Während sich in Ballungszentren Anbieter gegenseitig auf die Zehen steigen, franst die Zahl an Apotheken in den Randlagen stark aus, erzählen Marktkenner. Unterm Strich sperrten derzeit mehr zu als auf.    

Er wolle nicht unmodern wirken oder den Eindruck vermitteln, man habe das nicht notwendig, sagt Martin Hochstöger, Präsidiumsmitglied der Apothekerkammer in Österreich, zumal ja auch hierzulande die Spannen bei rezeptpflichtigen Medikamenten sinken - aber er könne diesem deutschen Trend und brachialen Kundenbindungsprogrammen nichts abgewinnen. Denn letztlich gehe dies mit Qualitätsverlust einher. "Wir sind Arzneimittelexperten. Für den Kosmetikverkauf brauche ich keine Pharmazeuten."

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Meister der Inszenierung sind Modeketten wie Abercrombie & Fitch mit ihren durchtrainierten, halbnackten Models anstelle von Verkäufern, donnernder Musik und parfumschwangeren Kabinen: Der Reiz ist die Party, Shopping wird zum Nebeneffekt. In Österreich ist der Konzern bisher noch nicht vertreten. Erlebniseinkauf wird im Kleinen dennoch geübt. In Form von Einkaufen unter Sternen in Bezirksstädten etwa oder als Late-Night-Shopping der Designer-Outlets. Manch Textilhändler öffnet abends exklusiv für private Kundengruppen. Bei Sekt, Lachsbrötchen und Smalltalk wird dann die Garderobe aufgepeppt.

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Dass Einkaufen durch den Magen geht, beweisen Einrichtungshäuser seit Jahren. Lutz zählt hinter McDonald’s und Schnitzelhaus mittlerweile zu den größten österreichischen Systemgastronomen. Ikea lockt mit Tonnen an billigen Fleischbällchen. Auch in Shoppingcentern ist der Gastronomieanteil in den vergangenen Jahren gestiegen. Diese dienen als Testlabors für neue Gourmetkonzepte und sollen Konsumenten weg vom Computer zurück in die reale Welt holen. Vice versa bedient der Lebensmittelhandel verstärkt Onlinekunden. Billa hat seine Internetangebote erst jüngst stark erweitert und schlägt die Werbetrommel für Lieferungen bis an die Haustür.

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Um breitere Zielgruppen und mehr Kundenbindung kämpfen auch Baumärkte, zumal ihnen die Heimwerker auszugehen drohen. Baumax, in Osteuropa finanziell hart in der Krise, vertraut in Österreich auf Ausbildung. Kurse, vom Fliesen- und Parkettlegen übers Ausmalen bis hin zum Garteln, sollen die jüngere Generation weniger zur Maus, als zu Hammer, Schrauben und Spachteln greifen lassen. Das werde gut angenommen, wie eine Konzernsprecherin versichert. Mit mobilen Projektberatern und professionellen Handwerkern wiederum sollen Kunden, die Do-it-yourself gar nichts abgewinnen können, den Filialen treu bleiben.

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In Deutschland karren Einrichtungsspezialisten Designermöbel probeweise in die Häuser potenzieller Kunden. Finden diese keinen Gefallen, werden unverzüglich retourniert. Galeria Kaufhof lud jüngst zu Kunstausstellungen in seine Verkaufshallen: Der Topfhersteller Fissler, der schon Models mit Küchenutensilien über den Laufsteg schickte, hatte dort Bratpfannen und Töpfe in monströse Skulpturen einer Märchenwelt verwandelt. Schneebesen und Schöpfkellen sorgten für den Rhythmus. Ziel sei es, die Marke zu emotionalisieren, ließ Fissler "Brand eins" wissen.

An Kaufkraft jedenfalls fehlt es nach wie vor nicht. Sie ist in Österreich seit 2008 trotz der Krise leicht um zwei Prozent gestiegen, geht aus einer aktuellen Studie des Marktforschers RegioData hervor. Wie viel davon in Onlinekanäle floss, wurde nicht erhoben. Experten schätzen, dass es rund sieben Prozent sind. Weit mehr als die Hälfte davon gehen aufs Konto ausländischer Konzerne. (Verena Kainrath, derstandard.at, 16.10.2013) 

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