Thomas Maurer: "Man will sich einen g'scheiten Film anschauen, 'Solaris' zum Beispiel, und landet bei 'Rambo 3'."

Foto: Ingo Pertramer

STANDARD: Im Gegensatz zu vielen Kabarettisten reden Sie auf der Bühne kaum über sich. Warum?

Maurer: Ich habe nicht den inneren Drang, der ganzen Welt zu erzählen, wie ich ein Gulasch koche oder Palatschinken mache. Ich hatte von Anbeginn an den Wunsch, mit der Form zu spielen. Schon nach meinem ersten Programm fasste ich den Entschluss, dass das nächste möglichst unähnlich sein soll. Sonst mache ich nach 30 Jahren immer noch den gleichen Scheiß. Jedes Programm soll einen anderen Charakter, eine andere Dramaturgie haben.

STANDARD: Es gibt aber Wiederkehrendes: Geschichten entwickeln sich anders, als es scheint.

Maurer: Ja. Generell interessiert mich der Graubereich, wo die authentische Person aufhört und das Theater einsetzt. Weil man dann inhaltliche und emotionale Fallstricke auslegen, Irrwege anlegen, Unschärfen einbauen kann. Beispielsweise: Wenn du auf der Bühne als sympathischer Typ umikommst - und dann etwas Unsympathisches von dir gibst, ohne dich davon zu distanzieren. Da entsteht etwas Spannendes.

STANDARD: Sie schlüpfen gerne in erfundene Rollen?

Maurer: Nicht immer. Bei der Neuen Selbstständigkeit ging es mir darum, aus einem FPÖ-Staatssekretär eine wirkliche Figur zu machen - und keinen zweidimensionalen Pappendeckel, auf den unentwegt hingedroschen wird. Und um den Oberösterreicher in Aodili darstellen zu können, habe ich den Dialekt gestuckt, bis sie ihn mir auch in Oberösterreich glaubten. Ich musste mir die Figur, die im Tempo und vom Habitus her relativ weit weg von mir ist, richtiggehend erarbeiten. Ich war auch bewusst dicker, da ich dachte, das passt gut zur Figur. Aber ich bin keiner, der in 20 Minuten 30 Typen und Dialekte anreißt.

STANDARD: Wen verkörpern Sie in Ihrem "Neuen Programm"?

Maurer: Es wird keine klare Bühnenfigur geben. Der Abend beginnt als Stand-up-Comedy, sehr straight. Die schlichteste Form. Es geht viel um Amerika, auch dieses imaginierte Amerika, das wir im Kopf haben, und die Ressentiments, also etwa die "Ostküste". Es geht auch viel um Wirtschaftskrise und Kapitalismus. Und dann schlage ich eben eine Kapriole. Soll ich jetzt weitererzählen? Nach der Premiere, wenn die Kritiken heraus sind, weiß man es eh. In der zweiten Hälfte mündet das Programm in einen Blockbuster. Angelina Jolie, Tom Hanks, Bruce Willis und Barack Obama retten die Weltwirtschaft.

STANDARD: Woher die Idee?

Maurer: Man will sich am Abend einen g'scheiten Film anschauen, Solaris etwa, und landet bei Rambo 3. Man ärgert sich, dass man mit dem Achterl Wein vor dem Schas sitzenbleibt. In Rambo 3 steht Sylvester Stalone jedoch in Afghanistan den Taliban bei. Das ist aus heutiger Sicht ein interessantes Stück Filmgeschichte. Daraus ziehe ich Schlüsse für die Gegenwart.

STANDARD: Das "Neue Programm" könnte auch "Amerika" heißen?

Maurer: Man wird von den Veranstaltern früh gefragt, wie das Neue heißen wird, dann sagte ich eben trotzig: Neues Programm. Aber ich habe beim Schreiben der Tatsache Rechnung getragen, dass es eben Neues Programm heißt.

STANDARD: Das Thema Wirtschaftskrise ist nicht wirklich neu.

Maurer: Das stimmt schon. Aber die Beschäftigung mit der Wirtschaft der Gegenwart und ihren bizarren Auswüchsen halte ich für nicht gänzlich irrelevant. Was damals, 2008, passiert ist, möchte ich in einer kondensierten Form auf den Punkt bringen. Aber natürlich ohne ein Volkshochschulseminar zu halten. Mich fasziniert an dieser Krise das Zusammenfallen von krimineller Energie und Dummheit - bei denselben Akteuren. Es ist allein schon grotesk, dass auch jene Leute auf den Schwindel hereingefallen sind, die diesen in die Welt gesetzt haben. Der Wahnsinn, der systematisch hinter der Krise steckt, hat auch eine gewisse Komik - wie die meisten extremen Dinge.

STANDARD: Innenpolitik spielt also nur eine marginale Rolle?

Maurer: Die habe ich an die Staatskünstler ausgelagert. Das war sehr befreiend beim Schreiben. Am Anfang gibt es schon ein paar Passagen, die mit Österreich zu tun haben. Etwa dass es zwar "Linkslinke" gibt, aber keine Linken mehr. In Deutschland werde ich das ohne Änderungen nicht spielen können.

STANDARD: Die Staatskünstler haben nun den Rabenhof verlassen - und sind für ein Special am Wahlabend ins Burgtheater übersiedelt. War die Umstellung groß?

Maurer: Nicht wirklich. Man muss stilisierter spielen, muss längere Abstände lassen, denn es lachen ja nicht 300, sondern 1000 Leute. Aber die Architekten haben schon genau gewusst, wie sie ein Theater hinstellen müssen. Im Burgtheater zu spielen ist eine schöne Erfahrung. Dort werden wir am 5. oder 6. 12. auch einen Jahresrückblick aufzeichnen, der Mitte Dezember ins Fernsehen kommt.

STANDARD: Die Fernsehserie geht nicht mehr weiter. Böser ORF?

Maurer: Nein. Wir wären für den Herbst sogar im Leistungsplan gewesen. Aber ein wöchentliches Satireformat hat normalerweise eine Redaktion. Und wir waren nur zu dritt. Florian Scheuba, Robert Palfrader und ich haben jede Woche Text für 20 Minuten geschrieben, auswendig gelernt und vorgetragen. Die Staatskünstler haben unser Leben zu dominieren begonnen, es blieb für nichts anderes mehr Zeit. Wir wollten ein paar Außendrehtage Staatskünstler unterwegs haben, um nicht so viel Text schreiben zu müssen, aber dafür war kein Geld da. Gegen Ende der zweiten Staffel waren wir wie Malariapatienten. Wir sagten: In der Form und mit der geringen Dotierung stehen wir das nicht länger durch. Wir wurden nicht vom ORF umgebracht, sondern sind eines der vielen Opfer der schlechten ORF-Finanzsituation. Über den Jahresrückblick hinaus ist nichts geplant, aber wir haben wieder einen Termin mit Intendantin Kathrin Zechner. (Thomas Trenkler, DER STANDARD, 14.10.2013)