Das Erfolgsmodell von Josef Cap: Die Bevölkerung darf nicht mit Kritik bombardiert werden, fordert der SPÖ-Klubchef. Eine allfällige neue große Koalition müsse sich im Konsens üben und ihre Erfolge besser darstellen. "Vergessen Sie die Gerüchte. Ich werde bei entsprechender Unterstützung meine Arbeit fortsetzen."

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STANDARD: Als Sie sich nach der Wahl hingestellt und sinngemäß gesagt haben "Alles super, Hauptsache, wir sind Erster", hat das bei vielen Leuten für Verärgerung gesorgt. Man hatte nicht den Eindruck, Sie hätten verstanden, was da bei der Wahl passiert ist. Kann man nicht auch als Klubobmann eingestehen, dass nicht alles so toll gelaufen ist?

Cap: Genau das habe ich auch getan. Ich habe gesagt, dass es sehr viele Punkte gibt, die man überlegen, ändern und verbessern muss. Der Hauptpunkt ist: Der Stil der Zusammenarbeit und die Art, wie man die erzielten Erfolge darstellt, müssen geändert werden. Es ist in der Tat eine Frage des politischen Marketings, dass man gemeinsam zu Erfolgen steht und sich gegenseitig Erfolg auch gönnt. Bei einem Punkt bleibe ich aber: Österreich ist mit der geringsten Arbeitslosigkeit, der höchsten Beschäftigung und seinem Sozialsystem ein Erfolgsmodell. Deswegen wurde die Regierung ja auch wieder mit einer Mehrheit ausgestattet.

STANDARD: Sie schieben den Misserfolg auf die Kommunikation. Heißt das: weitermachen wie bisher, aber anders darstellen?

Cap: Kommunikation ist eine politische Frage. Man muss sich bereitfinden zu einer Kommunikation, die eine Regierungsarbeit, wenn sie erfolgreich ist, auch so darstellt. Oder man entwickelt eine politische Kommunikation, wo man die Konflikte darstellt, weil man sich davon einen Vorteil erwartet. Kommunikation ist also eine hochpolitische Frage. Ich glaube, dass bei der Darstellung der Regierungspolitik das Gemeinsame im Vordergrund stehen muss. Die Bevölkerung darf nicht mit einer Kritik bombardiert werden, die mit der Substanz nicht übereinstimmt.

STANDARD: Aber es gibt doch auch ganz wesentliche Punkte, bei denen es keinen Konsens gibt, die wurden im Wahlkampf auch ausführlich dargestellt. In der Bildungspolitik oder in der Budgetpolitik. Wie soll es da jetzt einen Konsens geben? Die Positionen der Parteien haben sich nicht geändert, das würde heißen, dass eine Partei ihren Standpunkt oder ihre Überzeugung aufgeben müsste.

Cap: Interessengegensätze sind bei unterschiedlichen Parteien natürlich. Es gibt innerhalb der ÖVP starke Kräfte, die beispielsweise in der Bildungspolitik völlig mit uns übereinstimmen.

STANDARD: Aber der Parteichef ist anderer Ansicht, und der Parteichef ist der gleiche.

Cap: Das ist ein ÖVP-Problem. Das kann ich nicht für sie lösen.

STANDARD: In diesem Zusammenhang kann man auch die Frage nach einem koalitionsfreien Raum sehen. Es müsste doch möglich sein, bestimmte Sachthemen auszunehmen und anders abstimmen zu lassen.

Cap: Sich gegenseitig niederzustimmen führt letztlich dazu, dass es keine Garantie mehr gibt, dass es eine stabile Regierung gibt. Das kann ich mir nicht vorstellen, dass die Mehrheit in Österreich das will. Die Mehrheit will, dass es eine stabile Regierung gibt, auf die sie sich verlassen kann und die eine neue Kultur der Zusammenarbeit hat.

STANDARD: Das hat man schon so oft gehört. Wie soll diese neue Kultur der Zusammenarbeit denn ausschauen? Abgesehen davon: Die ÖVP signalisiert aus allen Poren, dass sie diese Zusammenarbeit gar nicht will.

Cap: Auch in der ÖVP gibt es viele, die finden, dass jetzt ein Stilwechsel erfolgen muss. Es muss eine neue Kultur und einen neuen Stil geben. Wir haben jetzt gemeinsam knapp über 50 Prozent. Wenn wir das nächste Mal ein Plus haben wollen, ist es ganz wichtig, dass sich diese neue Kultur der Zusammenarbeit auch darstellt.

STANDARD: Die bisherige Form der Zusammenarbeit hat dazu geführt, dass bei jeder Wahl jeweils ein Minus davorstand. Sie können sich ausrechnen, was beim nächsten Mal sein wird.

Cap: Das ist genau das Thema, das gerade in beiden Parteien diskutiert wird. Auch wenn es kontroversielle Themen gibt: Beide wollen ihre Programme verwirklichen. Wenn man sehr konstruktiv an diese Arbeit herangeht, wenn das von einem Geist des gemeinsamen Willens getragen ist, dann gibt es da auch ein anderes Diskussionsklima.

STANDARD: Ein plakatives Beispiel: vermögensbezogene Steuern. Da gibt es diametral entgegengesetzte Positionen. Wenn Sie jetzt einen Kompromiss finden, dann hat sich immer noch niemand durchgesetzt.

Cap: Aber genau diese Wettbewerbssituation kann konstruktiv genutzt werden.

STANDARD: Aber die gibt es doch, und die kann man nicht leugnen: Es gibt unterschiedliche Wahlprogramme, unterschiedliche Vorstellungen, unterschiedliche Ideologien. Im Wahlkampf wurden diese unterschiedlichen Positionen auch deutlich herausgearbeitet. Wie glaubwürdig ist es denn, wenn man das jetzt verleugnet?

Cap: Natürlich: Das eine oder andere Medium hätte gerne eine permanente Wettbewerbssituation, denn über Wettbewerbssituationen kann man am besten schreiben, das ist unbestritten. Aber hier geht es um einen ganz anderen Wettbewerb: Es geht darum, Österreich auch künftig in der internationalen Konkurrenz, im globalen Wettbewerb fit zu machen. Da haben SPÖ und ÖVP einen gemeinsamen Auftrag.

STANDARD: Wir reden aneinander vorbei, nicht?

Cap: Dieses Wahlergebnis ist auch ein Zeichen, dass es grundsätzlich eine Stiländerung und Verbesserungen geben muss, das ist ja unbestritten. Da müssen wir auch Überzeugungsarbeit gegenüber den Journalisten leisten, die da noch nicht überzeugt sind, dass Österreich ein Erfolgsmodell ist.

STANDARD: Sind Sie erleichtert, dass Sonja Ablinger nicht mehr im Parlament ist? Sie gilt als Parteirebellin und hat in mehreren Fragen gegen die Parteilinie und den Klubzwang gestimmt. Ihnen als oberstem Zuchtmeister des Klubs muss es ja ganz recht sein, wenn diese ungehorsame Abgeordnete nicht mehr dabei ist.

Cap: Ich bin kein Zuchtmeister. Ich versuche immer mit Überzeugungsarbeit in der Parlamentsfraktion, ein gemeinsames Abstimmungsergebnis zu erreichen. Mir tut es grundsätzlich leid, wenn aktive Abgeordnete nicht mehr in der Parlamentsfraktion sind, aber das ist eine Wählerentscheidung.

STANDARD: In der SPÖ gibt es jetzt das Bestreben, eine Urabstimmung über einen allfälligen Koalitionsvertrag herbeizuführen. Unterstützen Sie dieses Anliegen?

Cap: Ich sage Ihnen Folgendes: So eine komplexe Materie wie ein Regierungsübereinkommen zwischen zwei Parteien wurde bis jetzt immer in den Entscheidungsgremien der Partei, wie dem Parteivorstand, diskutiert. Da hat man sich Zeit genommen. Diese Gremien sind von der Basis demokratisch gewählt und damit auch legitimiert, solche Entscheidungen zu treffen. Ein Regierungsübereinkommen kann man nicht einfach den Parteimitgliedern schicken: "Jetzt sag Ja oder Nein." Da zeigt sich die Überlegenheit eines Delegierungssystems.

STANDARD: Dieser Logik folgend könnte man einen Parteitag einberufen und dort die Delegierten abstimmen lassen.

Cap: Wenn man eine funktionierende demokratische Entscheidungsstruktur hat, und das ist in der SPÖ der Fall, dann braucht man das nicht. Wir haben mehr Möglichkeiten, das zu diskutieren und zu beschließen, als bei einer schnellen Abstimmung.

STANDARD: Dieses Mitbestimmungsrecht ist im Parteistatut der SPÖ sogar vorgesehen. Warum wehren Sie sich so dagegen?

Cap: Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Treten Sie der SPÖ bei, und kommen Sie in meine Bezirksorganisation. Da können Sie dann mitdiskutieren, dann werden Sie das vielleicht anders bewerten. Die Einladung gilt. Ich kann Ihnen das Mitgliedsformular geben.

STANDARD: Herzlichen Dank. Ich werde aber darauf verzichten. Bleiben Sie Klubobmann?

Cap: Ja. Wenn ich die nötige Unterstützung habe, werde ich meine Tätigkeit als Klubobmann fortsetzen. Wollen Sie mich wegschreiben?

STANDARD: Ist ja nur eine Frage. Es gibt diese Gerüchte, dass Sie bald abgelöst werden.

Cap: Vergessen Sie die Gerüchte. Ich werde bei entsprechender Unterstützung meine Arbeit fortsetzen. (Michael Völker, DER STANDARD, 14.10.2013)