Elektronenmikroskopische Aufnahme von Epstein-Barr-Viren

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Mehr als 90 Prozent der Weltbevölkerung tragen das Epstein-Barr-Virus in sich. Doch zum Glück erkrankt nur ein Bruchteil der Infizierten: bei den meisten Menschen verbleibt das Virus unbemerkt lebenslang im Körper, zumindest so lange das Immunsystem intakt ist. In einigen Fällen kann das Virus jedoch unterschiedliche Krankheiten auslösen: in Europa und Nordamerika das Pfeiffersche Drüsenfieber, in Äquatorialafrika das Burkitt-Lymphom (Lymphdrüsenkrebs) und in Südostasien das Nasopharynxkarzinom (Nasenrachenkrebs).

Unterschiedlicher Verlauf

Warum EBV-Infektionen so unterschiedlich verlaufen, war bisher unklar."Dass es Unterschiede im Erbgut der verschiedenen Viren weltweit gibt, hatte man bereits herausgefunden", sagt Henri-Jacques Delecluse vom Deutschen Krebsforschungszentrum. Sein Team konnte nun zeigen, dass diese genetischen Unterschiede auch tatsächlich für die unterschiedlichen Eigenschaften der Viren verantwortlich sind, die die Entwicklung von Krankheiten begünstigen.

Delecluse und seine Mitarbeiter isolierten zunächst das Viruserbgut aus zwei verschiedenen Patienten: In einem Fall handelte es sich um einen Nordamerikaner, der am Pfeifferschen Drüsenfieber litt, im anderen Fall um einen Mann aus Hongkong, der am Nasopharynxkarzinom erkrankt war. Die Wissenschaftler am DKFZ fanden heraus, dass sich die beiden Virusstämme in wichtigen Bereichen deutlich voneinander unterscheiden: Das Virus aus dem chinesischen Krebspatienten infiziert Epithelzellen der Schleimhäute besonders effizient, das des Amerikaners mit Pfeifferschem Drüsenfieber befällt nur B-Zellen des Immunsystems.

Verschiedene Stämme

"Bisher hatten sich die Forscher immer gewundert, dass man Epstein-Barr-Viren zwar in den Epithelzellen von Nasopharynxkarzinomen finden konnte, aber im Labor eine Infektion dieser Zellen nie oder nur mit Tricks gelang. Jetzt wissen wir, dass es sich bei den bis jetzt im Labor untersuchten Stämmen um völlig andere handelte als bei denjenigen, die man aus den Krebspatienten isoliert hatte“, so Delecluse.

Die Forscher gehen davon aus, dass ihre Ergebnisse entscheidend dazu beitragen werden, Virus-bedingte Krebsarten zukünftig zu vermeiden. "Wir arbeiten derzeit an einer Impfung, die aus so genannten Virus-like-Partikeln (VLP) besteht. Das sind Virushüllen ohne Inhalt, gegen die der Körper eine Immunantwort aufbauen kann.“ Solche VLP werden bereits in Impfstoffen gegen Humane Papillomviren oder Hepatitis B Viren erfolgreich eingesetzt. "Bisher dachten wir, dass das Epstein-Barr-Virus überall auf der Welt das gleiche ist. Jetzt wissen wir, dass es verschiedene Virusstämme gibt und dass wir uns bei der Entwicklung von Impfstoffen auf die Stämme konzentrieren müssen, die besonders aggressiv zu sein scheinen", so Delecluse. (red, derStandard.at, 11.10.2013)