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Literaturnobelpreisträgerin Alice Munro.

Foto: EPA/DEREK SHAPMAN / MAN BOOKER PRIZE

Als Frühstarterin kann man die kanadische Schriftstellerin Alice Munro nicht gerade bezeichnen. Sie war fast vierzig, als sie ihr erstes Buch veröffentlichte. Mit 77 erhielt sie den mit 64.000 Euro dotierten Man-Booker-Preis für internationale Literatur und setzte sich gegen Konkurrenten wie E. L. Doctorow, Mario Vargas Llosa oder aber Joyce Carol Oates durch. Oates wurde auch seit Jahren immer wieder für den Nobelpreis genannt. Doch den heimste nun ebenfalls Munro, Virtuosin der kurzen Form, in deren Prosa sich auf dreißig Seiten das Leben in seiner gesamten Pracht und Niedertracht offenbart, mit 82 ein. Endlich, wie ihre nicht zu kleine Anhängerschaft meint. Schon vor zwei Jahren, zu ihrem 80. Geburtstag, schrieb das deutsche Wochenmagazin Spiegel flapsig: "Geben Sie der Hausfrau aus Ontario endlich ihren Nobelpreis."

Da war die "schreibende Hausfrau", wie sich Munro mit feiner Ironie auch selbst gern bezeichnet, für ihre Shortstorys bereits mit dem kanadischen Buchpreis Governor General's Award in Serie ausgezeichnet, zum Ritter des französischen Ordre des Arts et des Lettres sowie zum Ehrenmitglied der American Academy of Arts and Letters ernannt worden.

Abgründig, realitätsnah, unsentimental werden Munros präzise Beobachtungen von Beziehungsgeflechten beschrieben. Kaum jemand, so die Kritik, arbeite so elegant mit Auslassungen wie sie. In der Tat geht Munro mit Worten und Werken sparsam um: Gerade einmal ein Dutzend Erzählbände sind seit ihrem Debüt 1968 auf den Markt gekommen, die sie am Wohnzimmertisch verfasst. Immer noch lebt Munro nah jener Silberfuchsfarm am Rande der kanadischen Seenlandschaft im südwestlichen Ontario, wo sie als Alice Ann Laidlaw in den 1930er-Jahren in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs. Ihr zweiter Ehemann, der Geograf Gerald Fremlin, starb im April 2013.

Zu viel Glück, wie ihr jüngster Erzählband heißt, widerfuhr ihr - zumindest in der Jugend - wohl eher nicht. Ihre Mutter erkrankte an Parkinson, da war Alice, das älteste von drei Kindern, gerade einmal zehn. Aus Geldmangel hängte sie auch ihr Journalismusstudium an den Nagel, heiratete ihren ersten Mann Jim Munro und gebar vier Töchter. Eine der Töchter riss gestern ihre berühmte Mutter aus dem Schlaf, um ihr mitzuteilen, dass sie mit dem mit 920.000 Euro dotierten Literaturnobelpreis ausgezeichnet wird. (Andrea Schurian, DER STANDARD, 11.10.2013)