Der nordenglische Songwriter Paddy McAloon gilt im Genre des Erwachsenenpop als Großer.

Foto: Kevin Westenberg

In den 1980er-Jahren war man für so vieles so schnell dankbar. Nach den bis heute nachwirkenden, damals aber leider nicht weiterverfolgten prosperierenden Experimentierfeldern der sogenannten Post-Punk-Zeit, die sich mit Formaten, Stilen und medialen Darstellungsformen spielte, entdeckten junge Menschen dann leider bald die große weite Popwelt. Das führte zum Bestreben, sich nicht nur möglichst dämliche Frisuren stehen und Schulterpolster wachsen zu lassen. Verhallte synthetische Drums, Synthesizerburgen, Videos, gedreht auf vor Rio de Janeiro ankernden Yachten, ein wenig Kokain und zur ideologischen Unterfütterung das Studium der Handelswissenschaften, Politologie und des großen amerikanischen Songbooks unter besonderer Berücksichtigung George Gershwins und Brian Wilsons sollten dabei helfen, das beste Lied aller Zeiten zu destillieren.

Dank Punk aufsässige Traditionalisten setzten sich damals von New Wave, Industrial, weißem Agit-Funk und synthetischem Minimalismus ab. Es entstand ein Rockrevival unter Punkvorzeichen (zu dem man ruhig auch das Gothic-Gewese zählen kann). Es gab aber auch mit Scritti Politti, ABC oder Heaven 17 damals mit ihrem Hedonismus mit salonbolschewikischem Hintergrund halbwegs interessante, aber immer auch zart hoppertatschige Versuche, Broadway-Musicals zu reflektierten Partyhymnen für Leute mit Matura umzudeuten - und damit trotzdem die Massen zu begeistern.

Handwerk hatte wieder goldenen Boden. Und während etwa Morrissey und The Smiths Popmusik als Verlängerung der Sixties deuteten und der Sänger die eigene wehleidige Befindlichkeit immer auch als eine politische deutete (und so zu mitunter hinreißenden Texten gelangte), beschränkten sich Leute mit linkspolitischem Hintergrund wie Heaven 17 und Scritti Politti bald darauf, fortan ausschließlich auf eines: Sie verhandelten ihre eigene Gefühligkeit und beschränkten das Gesellschaftliche darauf, samstags im Club gut auszusehen.

Ab Mitte der 1980er-Jahre standen Songwriter Paddy McAloon und seine aus dem nordenglischen Durham stammende Band Prefab Sprout anfangs im Spannungsfeld zwischen konventioneller Songwritingpraxis im Stil der besagten Smiths, George Gershwins und afroamerikanischen Musiken wie Soul und zarter Funkiness.

Ein schwieriges Genie

Paddy McAloons knapp über dem Hauchen und gepressten Knödeln angesiedelte Gesangsstimme war zwar immer beschränkt. Auch seine Vorliebe für käsige Synthesizer und blasse Arrangements hat sich bis heute herauf gehalten, ebenso wie die gequälten Melodien, die sich über die komplexen Akkordfolgen mühsam über die Runden kämpfen. Dennoch sind Prefab Sprout immer wieder tolle Alben gelungen; zuletzt etwa Andromeda Heights von 1997. Dieses zählt mit zum Besten, das man im Bereich einer avancierten Popliedkunst kriegen kann. Selbstverständlich aber handelt es sich bei Paddy McAloon auch um ein Genie voller Selbstzweifel, resignativer Phasen und gesundheitlicher Angegriffenheiten. Das bedingte immer wieder Pausen und ein Ende der Livekonzerte.

Mit Crimson/Red liegt nun nach The Gunman And Other Stories und Let's Change The World With Music ein weiteres durchwirktes Album vor, das weniger neue Songs enthält als aufgepepptes Archivmaterial. Die Texte sind gewohnt pfiffig: "The old magician takes the stage / His act has not improved with age / Observe the shabby hat and gloves / The tired act that no one loves." Aber das alles klingt doch ziemlich aus der Zeit gefallen. Das tut der medialen Begeisterung keinen Abbruch. Die 1980er-Jahre gehen weiter. (Christian Schachinger, Rondo, DER STANDARD, 11.10.2013)